Am nächsten Morgen wache ich zeitig von alleine auf und wackle noch ein bisschen schlaftrunken Richtung Bad.

OMG!

Im Vorraum erstarre ich in der Bewegung.

Wir sehen uns an. Beide erschrocken. Keine von uns hätte sich diese Begegnung gewünscht. Sie ist groß, sie schaut. Ich auch.

Ich weiß, dass sie schnell ist. Höllisch schnell!

Langsam bewege ich mich rückwärts ins Zweibettzimmer und suche mir die Unterlagen des Hotels, sie befinden sich in einer doch sehr stabilen Mappe und mit dieser bewaffnet, trete ich wieder, langsam und nun vorbereitet, vor die Feindin.

Sie sitzt noch immer dort, an der Wand, neben der Eingangstüre und starrt mich an. Ihre Fühler sind lang und bewegen sich langsam. Ihre sechs Beine sind ruhig, noch. Ich will sie auf keinem Fall im Schrank, oder unter den Betten.

Töten? Sie ist groß, sechs Zentimeter, oder sieben? Wenn ich sie zerdrücke, oder draufsteige gibt das eine Riesensauerei.

Langsam bewege ich mich auf sie zu. Mein Plan: Ich öffne die Türe und wische sie mit dem Mapperl raus.

Gedacht, getan. Ich öffne die Türe, und die Kakerlake ergreift von selbst die Flucht. Ich gebe ihr noch einen Schubs mit und sie landet auf dem Rücken auf dem Gang.

Schnell schließe ich die Türe wieder und atme durch. Mit diesen Insekten hatte ich bereits sehr unliebsame Erlebnisse. Alle nur, und das ist wahrscheinlich nur ein blöder Zufall, auf Kos.

Schnell inspiziere ich die Toilette und den Abfluss in der Wanne. In der Mitte des Badezimmers ist noch ein Gitter im Boden, auch das schau ich mir an. Nichts.

Tja, ok, dann werde ich ab sofort meine Kleidung bevor ich sie anziehe fest ausschütteln und mich aufmerksamer durch mein Urlaubsdomizil bewegen.

Invasion?

Beim Frühstück erzählt mir Anja, dass tatsächlich auch sie heute morgen eine Kakerlake im Bad gefunden hat. Sie hat sie mit dem Körper-Gelsenspray ins Jenseits geschickt. Das hilft? Ich bin überrascht, aber gut zu wissen.

Nachdem wir uns wieder unseren Kaffee und ich meinen legendären Feta, die schwarzen Oliven und die Spiegeleier (ein weiterer Versuch dem Eiermenschen sein Leben zu verschönern, war ergebnislos) geholt habe, beobachten wir wieder die Gäste rund um uns.

Anarchie, selbst gemacht?

Die Kinder der Gäste im Hotel sind meist klein, oder noch kleiner. Eines sitzt in einem Hochstuhl an einem runden Tisch, ihm wird von allen Seiten Essbares hingehalten. Brot, Käse, Würstchen (Achtung!), Speck, aber natürlich auch Süßes.

Ich räume ein, dass ich dem Buffet der Süßspeisen zu wenig Beachtung und hier zu wenig Worte geschenkt habe, da ich nichts, oder kaum etwas Süßes esse. Die Törtchen, Schnittchen, Krapferl, Schifferl, oder ganzen Torten sind ein Augen- und sicher auch Gaumenschmaus. Sie sind farbenprächtig und liebevoll dekoriert.

Auch diese süßen Schmuckstücke werden dem Kleinkind im Hochstuhl einfach so in die Hand gedrückt. Nun, manches schmeckt dem kleinen Menschen, manches nicht. Was nicht schmeckt, wird einfach fallen gelassen.

Auf dem Tisch und rund um den Hochstuhl herrscht bereits das absolute Chaos. Die Erwachsenen unterhalten sich währenddessen unbeirrt weiter und lassen das Kleine tun und machen was es will.

Zuckerglasur im Auge macht dann halt doch nicht mehr so viel Spaß und die Brut beginnt laut zu brüllen. Wohl ein Zeichen des Aufbruchs, denn alle Großen am Tisch springen auf, nehmen das völlig verdreckte Kind aus dem Hochstuhl und verlassen – „Bye, bye!“ – eine unbeschreibliche Unordnung.

Die armen Damen vom Service kümmern sich augenverdrehend um den Saustall.

Kurz darauf setzen sich drei Damen mit einem weiteren Kleinkind im Hochstuhl neben uns. Verbissen hackt der kleine Bub mit einer Gabel auf das Plastiktischchen vor ihm ein.

Die Damen lächeln ihn an. Er ist aber auch zu süß, wie er versucht entweder Gabel, Tischchen oder (wenn denn das Tischchen brechen sollte) den eigenen Oberschenkel zu zerstören.

Für Anja und mich gibts heute richtig gutes Kino und wir schauen ungeniert dem irren Treiben weiter zu.

Das männliche Kleinkind wird unruhig, die Mutter nimmt ihn aus dem Stuhl und geht mit ihm zum Buffet. Er darf selbst aussuchen, was er heute essen möchte. Er ist vielleicht zwei Jahre alt und ich denke bei mir, er kann wohl kaum selbst entscheiden, wann er sich wieder in die Hose macht.

Kurze Zeit später tauchen die zwei wieder auf. Die Mutter hält stolz lächelnd Kind und Teller. Beides wird wieder in und auf den Hochstuhl verfrachtet und der Spaß beginnt.

Der Sohnemann hat sich Eierspeise mit Nutella ausgesucht. Gute Wahl! Alle Achtung! Wild beginnt der Spross beides gemischt in sich hinein zu schaufeln und stockt nach dem ersten Bissen.

Anja und ich starren gebannt auf das kleine Gesicht, das sich in diesem Moment in etwas, das ich Nachts auf keinen Fall sehen will, verwandelt.

Ach? Es schmeckt nicht? Wild wird die Kreation irgendwie und irgendwohin ausgespuckt und das grimmige Hacken mit der Gabel geht wieder los.

Wir haben für heute genug gesehen und verlassen den Ort des Wahnsinns.

VW T-Roc

Für heute und die nächsten beiden Tage haben wir, also um genau zu sein, hat Andi das organisiert, einen Mietwagen. Sandra und er wollen uns heute, da sie sich hier ja gut auskennen, ein Bergdorf namens Zia zeigen.

Auf der ganzen Insel, bis auf ein paar kurze, ausgewählte Strecken, herrscht eine Geschwindigkeitsbegrenzung von 50 km/h. Anscheinend haben hier genug verrückte Touristen Unfälle, oder Schlimmeres verursacht um so eine radikale Reduzierung der Fahrtgeschwindigkeit zu erzielen.

Doch die überschaubare Geschwindigkeit finde ich nicht unangenehm. Viele Jahre und viele Tage am Stück bin ich als Beifahrerin die griechischen Straßen entlang gefahren.

Auch jetzt kommen mir die typischen Strukturen der Häuser am Straßenrand, die bebauten Ackerflächen und die Beschaffenheit der Straße bekannt vor.

Latrévo tin Elláda!

Ich liebe Griechenland!

Und ich meine hier alles was dazugehört.

Die Weite und Aussicht auf den Bergen, den hier eigenen, wunderbaren Geruch nach Kräutern und Erde. Die Mentalität der oft tiefenentspannten Einwohner, die kleinen, engen Gässchen durch (manchmal weiß-blaue) niedrige Häuserschluchten in den urigen (Fischer)dörfern. Das meist türkisblaue Meer, das herrliche Essen, die melodische Sprache und die, mir unbegreifliche, Schrift (verzweifelt hab ich beides versucht zu lernen… erfolglos).

Zia

Dann geht´s ab in die Berge und bald stellt Andi unseren Wagen auf einem recht großen, befestigten Parkplatz ab.

Ein kleines Stück zu Fuß und schon ist man mitten drin im Treiben des wunderschönen, kleinen Bergdorfes. Herzige, typische Geschäfte säumen die zwei engen Gässchen von Zia. Beides, Gässchen, wie auch Geschäfte sind vollgestopft mit Touristen. Ich mag das, so solls sein. Wären wir hier alleine, würde Zia wohl kaum überleben können.

Andi meint, dass ein kleines, bergauf führendes Wegerl zu einer Kirche führt und ich starte los. Die beiden Damen bleiben mit Andi in einem der Geschäfte zurück und ich mach mich über breite Stufen auf den Weg nach oben.

Oh, wie schön!

Der Touristenstrom reißt hier rasch ab und ich marschiere zügig Richtung Kirche. Es macht Spaß sich ein bisschen auszupowern und leicht schnaufend komm ich nach kurzer Zeit oben an. Der Ausblick ist grandios!

Ich schaue über bewaldete Berge und sehe dahinter das Meer.

Die Kirche ist verschlossen und ich mache rundherum ein paar Fotos.

Danach steige ich wieder über die breiten, mit großen Steinen gepflasterten Treppen nach unten.

Schnell tauche ich wieder in das Gewurdl ein und suche nach meinen Leuten. In einem der Geschäfte werde ich dann fündig, schlendere aber weiter und werde auf eine junge Dame in einem der anderen Geschäfte aufmerksam, die auch mich plötzlich im Visier hat.

JAMAS!

Sie steht hinter einem doch recht beachtlichen Sortiment von diversen, verschieden großen Schnapsflaschen. Da ich dem Gebrannten ja nicht unbedingt abgeneigt bin, schaue ich neugierig was sie denn hier so anzubieten haben und entdecke…

… Mandelschnaps. Der schmeckt sicher nach Marzipan! Ich schau ihn neugierig an und das junge Mädel erkennt weise in mir eine potentielle Käuferin. Aufgeregt fragt sie mich, ob ich den denn kosten möchte. Also…naja, …. wenn sie schon so fragt.

Zusätzlich öffnet sie auch enthusiastisch einen Zimtschnaps, füllt zwei kleine Becher mit jeweils einem roten und einem weißen Hochprozentigen an und reicht sie mir. Ich greife zum Marzipangetränk und bin augenblicklich verliebt.

Ich deute ihr gleich, dass ich den Zimtschnaps nicht möchte und mit einem lauten, freundlichen „Jamas!“ stoßen wir an und leeren um 11 Uhr morgens zwei doch beachtlich große Stamperl der gebrannten Freude.

Eine kleine Flasche voll mit flüssigem Marzipan nehme ich mir mit, ich hab ja jetzt ein bisschen Spielraum mit den Möglichkeiten meines neuen Rucksackes und bedanke mich entspannt bei dem lustigen, griechischen Mäderl.

Um die Ecke finde ich noch ein T-Shirt für meinen Sohn, das nehme ich auch mit und zufrieden, meine Leute in der Nähe wissend, schlendere ich noch ein bisschen das zweite Gässchen entlang.

Danach sitzen wir in einer sehr schönen, gemütlichen Taverne, auch hier ist der Ausblick grandios.

Hier, um das perfekte Glückslevel zu halten, bestelle ich mir ein Mythos und sitze mit den anderen tratschend und entspannt zurückgelehnt und genieße mein Leben.

Wir müssen los!

Ich könnte hier ewig sitzen; diese Aussicht! Und sicher haben sie hier noch ein oder zwei Bier für mich eingekühlt, ein bisschen Pitabrot und dazu Tsatsiki …

Doch dann schaut Sandra auf die Uhr. Wir müssen zurück, es gibt Mittagessen. Ich schau sie enttäuscht mit großen Augen an.

Wir zahlen und sitzen Minuten später wieder im Auto Richtung Hotel.

Sport ist gut und macht Spaß!

Nach dem Essen, ich habe nur eine Kleinigkeit zu mir genommen, sitzen wir diesmal am Familienpool. Liegen haben wir natürlich keine mehr bekommen, dafür aber ein Tischerl mit vier Kunststoffsesseln im Schatten. Herz, was willst du mehr?

Es ist früher Nachmittag und hier steppt, ohne zu übertreiben, der Bär. An der Poolbar, sie untermalt die Szenerie wieder mit Ö3-Sound, steht eine Schlange durstiger, rothäutiger Gäste an. Es sind auch einige Leute im Wasser, Kinder springen darin herum und schreien und lachen.

Ich stelle mich auch an und hole mir bei Edita, man kennt sich ja bereits, einen zweifärbigen Tequila-Sunrise und sie mixt ihn mir grinsend ein bisschen stärker. Danke Edita!

Dann sitze ich, an meinem Getränk schlürfend, teilweise im Schatten und beobachte das wilde Rundherum.

Ein kleiner Mann in leuchtend gelben T-Shirt kommt langsam auf uns zu, bei nahezu jeder Liege spricht er die darauf schwitzenden Gäste an. Manche unterhalten sich mit ihm, viele winken ihn aber weg, wie ein lästiges Insekt. Was will der?

Er kommt immer näher und jetzt kann ich sein Anliegen verstehen.

Er will turnen. Im Wasser. In 15 Minuten. Er würde sich sehr freuen, wenn wir alle mitmachen würden. Das wird ein Riesenspaß!

Ich schau den Animateur entgeistert an. Voller Freude startet er zu den nächsten Liegen und lädt zum freudigen Kollektivwasserturnen ein.

„Sport ist gut und macht Spaß!“ schreit er uns allen zu und die meisten Badegäste lachen laut als Antwort. Auch wir sind amüsiert.

Äußerst motiviert und überdreht zieht er weiter seine Poolrunde, um für den guten und lustigen Sport zu werben und ich bin neugierig was denn jetzt in 15 Minuten passiert.

Und eins… und zwei….

Tatsächlich finden sich 11 Damen ein, die mit dem bunten Mann turnen wollen. Es sind hauptsächlich ältere, beleibtere Damen, es befindet sich aber auch eine etwas jüngere und schlankere Dame in der Gruppe.

Alle Teilnehmerinnen bekommen eine Schwimmnudel und sie erhalten Anweisung, sich im halben Pool gleichmäßig zu verteilen.

Der Kleine steht am Beckenrand und hat eine Trillerpfeife im Mund. Auch er hat eine Schwimmnudel in der Hand. Die Dünne steht ganz vorne in seiner Nähe und strahlt ihn an. Ah, jetzt versteh ich….

Und dann…

… geht´s los. Zum Rhythmus der Musik beginnt der Animateur mit und ohne Schwimmnudel Übungen vorzuzeigen, die im Wasser eigentlich fast unmöglich sind. Dementsprechend sieht auch die Umsetzung aus. Viermal in die eine Richtung, viermal in die andere Richtung. Er pfeift jedes Mal dazu. Im Becken entsteht ein völlig unkontrolliertes Schwimmnudel-Herumgewurschtl.

Er schreit und ist motiviert, als hätte er es mit olympiafähigem Material zu tun. Er springt herum und steckt sich das Schwimmgerät zwischen die Beine. Dies löst bei den Damen im Wasser ein verlegenes Gekicher aus. Die Dünne ist voll dabei, hat die Nudel zwischen den Beinen und so wie sie dreinschaut will sie gerne auch eine andere. Bald.

Im Großen und Ganzen wird hier das Chlorwasser von elf doch äußerst willigen Damen langsam, aber sicher schaumig geschlagen.

Und dann…

…. kommt er zu den Damen ins Wasser. Sie kreischen!

Ungläubig beobachte ich, dass sich alle die Hände geben, einen großen Kreis bilden und…. beginnen Ringelreihe zu tanzen. Die Dünne hält die Hand vom Kleinen, ob sie sie wieder los lässt? Die Euphorie dieser Szene ist kaum zu beschreiben. Die Damen strahlen und der Animateur lobt und spornt sie weiter an. Sie geben ihr Bestes und dann…

… ist es vorbei.

Schnell hol ich mir bei Edita noch einen Tequila-Sunrise, den hab ich mir jetzt fix verdient. Sie lacht laut, als sie mein entsetztes Gesicht sieht und macht mir wieder die Sondermischung.

Oh, bitte nicht!

Zum Abendessen gibt es heute Lachs, den gönne ich mir mit Erdäpfeln und Gemüse. Sandra kommt nach und nimmt sich auch etwas von dem rosafarbenen Fisch.

Genüsslich führt sie den ersten Bissen des Fisches zum Mund und verzieht angewidert das Gesicht. Ihr Lachs riecht schlecht. Was? Ich habe meinen bereits zur Hälfte gegessen! Sie lässt mich an ihrem Fisch riechen. Er ist eindeutig verdorben. Na, fein, denk ich mir. Die Teile sind doch sicher alle im selben Behälter gelegen.

Danach gehen wir alle bald auf unsere Zimmer. Ich checke nochmals die Kakerlaken-Eingänge, nichts. Ich höre in mich hinein, erkenne auch hier nichts ungewöhnliches und packe mich wieder dick in meine drei Decken ein. In Anjas und meinem Zimmer ist immer sehr kühl. Das ist im Hochsommer eventuell angenehm, zu dieser Jahreszeit aber doch etwas ungemütlich.

Schnell wird`s aber wieder kuschlig und ich bin gespannt ob sich heute Nacht nochmal der Lachs meldet.

Kalinichta


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