Und wieder sind wir nach Kroatien unterwegs. An den Grenzen werden wir wie lästige Insekten weitergewinkt. Uns solls recht sein.

Da wir erst spät weggefahren sind, kommen wir erst zu Mitternacht in Malinska an. Die gewohnten Handgriffe und bald sitzen wir Bier trinkend im wärmer werdenden Salon. Gott sei Dank ist es nicht mehr so kalt wie das letzte Mal.

Mein grinsender Skipper öffnet seine Reisetasche und holt mein neues eigenes Ölzeug hervor. Wir haben es gleich nach unserem doch recht unterkühlten Urlaub bestellt, dass es schon geliefert wurde, hab ich nicht gewusst. Ich quietsch laut und ziehe mir stolz die Jacke wie eine exquisite Kostbarkeit von Brunello Cucinelli an. Sie ist knallrot und von Helly Hansen (eine Sportmarke) und wird mir die kalten Fahrten sehr erleichtern. Sie passt perfekt und ich kuschle mich glücklich hinein. Dazu habe ich mir eine schwarze Latzhose bestellt, auch die hat mein lächelnder Skipper mitgebracht. Ich schlupf hinein. Ungewohnt, so ohne Bund und es ist keine körperbetonte Form spür- und sichtbar. Mir wird sofort warm und ich verliebe mich in sie, so wie in meine Jacke.

Gut ausgerüstet

Jetzt bin ich gut ausgerüstet! Diese Schlechtwetterausrüstung bleibt gleich auf der Mizzi. Stolz hänge ich sie in den kleinen Schrank. Danach legen wir uns bald hin, es war ein langer Tag und wir sind müde.

Am nächsten Morgen ist es zwar bedeckt und grau, aber nicht sehr kalt. Kein Wind. Wir machen die Leinen los und motoren raus. Unser Ziel ist diesmal eine andere Bucht zirka 15 Seemeilen entfernt, das heißt eine Fahrt von rund drei Stunden. Wir haben es nicht eilig , schauen uns unterwegs diverse Buchten genauer an, soll heißen, mein wissender Skipper studiert die Bodenbeschaffenheit, falls man hier einmal ankern möchte. Dann cruisen wir entspannt weiter in unsere Richtung.

Nach kurzer Zeit kommen wir an einer schroffen Steilküste vorbei. Wie sich die wohl anfühlt? Mein aufmerksamer Skipper bemerkt meinen Blick und steuert auf die Wand zu. Sie kommt schnell näher und kurz darauf steht die Mizzi parallel zu der jetzt doch sehr hohen Klippe.

Ganz nah kommen wir nicht heran, aber ich kann den Geruch der Kräuter, die darauf wachsen, wahrnehmen und ich habe das Gefühl, dass die Felswand ein bisschen Wärme ausstrahlt.

Plötzlich löst sich eine sehr große Vogelsilhouette über uns von der Wand und gleitet majestätisch über die Mizzi. Das Tier schlägt kaum mit den Flügeln und kommt nach einem großen Bogen in der Luft wieder zurück. Ich glaube zuerst, dass es sich um einen Adler handelt. Doch mein allwissender Skipper korrigiert mich erfreut. „Das ist ein Gänsegeier!“ Er sucht aufgeregt den Himmel und die Klippen nach weiteren Exemplaren ab.

Der Gänsegeier tritt doch recht selten auf und war noch vor kurzem vom Aussterben bedroht. Man findet ihn hier in Kroatien nur auf den Inseln Cres und Plavnik. Die Spannweite des großen Vogels kann bis 2,8 Meter erreichen. Die Tiere wiegen zwischen 6,5 bis 11 Kilogramm. Sie können 50 – 60 km/h erreichen.

Die imposante Erscheinung lässt uns ehrfürchtig aufblicken. Sie kreist über unserem Boot, als ob sie die Lage einschätzen wollte.

Und dann… sehen wir auf einmal eine ganze Kollonie auf einigen verkrüppelten Bäumen weit ober uns hocken.

Wir werden beobachtet

Anscheinend werden wir bereits seit einiger Zeit aufmerksam beobachtet. Wenn man weiß, worauf man achten und schauen muss, entdeckt man immer mehr Tiere. Sie haben fast die gleiche Farbe wie der Stein der Klippe. Während wir uns gegenseitig gebannt beobachten, treibt die Mizzi so nah an die Felswand, dass mein allgegenwärtiger Skipper sie mit der Hand abstoßen muss. Schade, zu spät hab ich die Situation bemerkt, um die Wand noch zu berühren. Meine Enttäuschung hält sich allerdings in Grenzen, denn ich beobachte bereits wieder gebannt die riesigen Vögel, von denen sich gerade zwei weitere in die Lüfte begeben und die anderen noch immer schauen.

Wir fahren weiter die Küste entlang und auf unserem letzten Stückchen fallen uns immer wieder „verdächtige“ Farbflecken in den Bäumen auf. Dann kommen wir zu unserem Ziel, eine wunderschöne, große Bucht. Im Sommer untertags von Ausflugsbooten, anderen Segeljachten und Motorbooten belagert. Jetzt liegt nur ein kleines Motorboot an seinem Anker.

Mein auch handwerklich geschickter Skipper hat hier bereits vor einiger Zeit zwei Ringe in den Fels gebohrt. An ihnen versuchen wir uns festzubinden. Zugleich muss der Anker, der noch gesetzt wird, die Mizzi von den Felsen weghalten. Ein ziemlich kompliziertes Manöver, wobei der Anker nicht und nicht greifen will. Immer wieder zieht ihn mein langsam genervter Skipper wieder hoch, setzt ihn neu und versucht zugleich mit Mizzis Heck so nah wie möglich an die Felsen zu kommen, um sie dann dort an den Ringen festzumachen. Ich möchte ihm helfen. Bei einem neuen missglückten Versuch biete ich an, den Anker zu setzen, so kann er gleich beim Heck, Steuerrad und dem Gashebel bleiben und sich um die Nähe zum Felsen kümmern. Jetzt hab ich das ja schon mal gemacht. Ist doch keine Hexerei! Doch die Ankerwinsch ist ein kompliziertes Ding. Man hat, um sie zu lockern, einen Griff, den man an zahnradartigen Zäpfchen ansetzen muss. Man muss den Griff nach hinten ziehen, um die Kette zu lösen, dann zischt sie mit dem Anker und einem Höllenlärm nach vorne weg.

Panik bricht aus

Mein Hirn schreit in genau diesem Moment, dass das völlig unlogisch ist. Doch es ist zu laut, um ihm zuzuhören. Der unfassbare Lärm stresst enorm. Ich schau zu meinem winkenden (schreien hätte ich ihn kaum gehört) Skipper. Ok, die Kette ist lange genug. Ich setze den Griff wieder auf das Zahnrad, daneben zischt die Eisenkette vorbei, ich bin zittrig. Habe ein bisschen Bedenken mich böse zu verletzen. Ich mach so schnell ich kann. Die Kette rattert in Wahnsinnstempo nach vorne in die Tiefe. Endlich sitzt der Griff. Ich zieh in zurück. Die Kette rast noch immer mit dem Geräusch direkt aus der Hölle weiter ins Meer. WAS?! Ich setze erneut den Griff an. Ziehe ihn zurück. Die Kette rast. Ich zittere am ganzen Körper und starre entgeistert auf die glitzernden Metallglieder. „NACH VORNE!“ brüllt mein aufgebrachter Skipper. Was? Nach vorne? Unlogisch… flüstert mein geschocktes Hirn wieder.

Und dann… ist die Kette zu Ende, mit einem Ruck bleibt sie an einem Seil hängen, das für genau solche Unfälle am Kettenende befestigt ist. Sonst wäre die Kette jetzt samt Anker im acht Meter tiefen Wasser. Mein genervter Skipper kommt mit großen Schritten nach vorne. „Es tut mir leid…“ stottere ich. Ganz leise versuche ich mich mit „….aber…, ist doch unlogisch…“ zu verteidigen. Die Ankerkette läuft nach vorne weg und man bremst sie mit einer Bewegung nach vorne. Da fehlen sogar mir eine Zeit lang die Worte.

Ich habe das gesamte Manöver in den Sand gesetzt. „Das ist jetzt fix genug Kette.“ meint mein sarkastischer Skipper und ich könnte heulen. Also, Kette wieder rauf und auf ein Neues. Ich schau nur mehr schweigend zu, versuche durchsichtig zu sein. Dann hält er endlich, der Anker. Er und die Seile hinten halten die Mizzi so an Ort und Stelle. Mein sich bereits wieder beruhigter Skipper holt (jaja!!!) die Passerella und bindet sie zwischen Felsen und Boot fest.

Ich freue mich leise, doch meine soeben demonstrierte Unfähigkeit dämpft meine Abenteuerlust.

Es ist bewölkt aber warm, wir essen eine Kleinigkeit und ich beruhige mich langsam auch wieder. Ich ziehe mir meine Converse an und balanciere über „mein Bretterl“ auf das kleine Felsenplateau. Von dort kraxle ich ein bissl auf den Felsen herum. Natürlich haben hier meine Hände vieles zu ertasten und nach der Berührung einiger an den Felsen wachsenden Kräuter, duften meine Finger. Ich setze mich kurz auf einen nicht ganz so spitzen Felsen und blicke auf die Mizzi. Mein entspannter Skipper sitzt im Cockpit. Auch ich ruhe wieder in mir.

Ich klettere wieder hinunter und über das Bretterl auf die Mizzi. Wir quatschen, lachen, küssen uns und hören Musik. Mein musikalischer Skipper hat sich vor einiger Zeit eine tolle Bluetooth-Box zugelegt und die macht so richtig Stimmung. Dann schnappt er sich einen Edding, bewegt sich geschmeidig über das Bretterl, zu einem glatten Felsen und beginnt dort etwas darauf zu schreiben. Er ist fertig und tritt zur Seite. Es ist ein Herz mit S+B darin.

Ich grins, ich liebe solche Gesten. Er weiß das und kraxelt danach noch a bissl auf den Felsen herum, ich bleib auf der Mizzi und beobachte derweil eine Segeljacht, die langsam in unsere Bucht gleitet. Darauf zwei Männer, dick eingepackt. Die deutsche Flagge ist nicht zu übersehen. Das Motorboot ist wieder weg, das hab ich gar nicht registriert. Auch egal. Nur zwei Segeljachten in der Bucht. Sehr idyllisch! Die Jacht ankert an der anderen Seite der Bucht.

Mein kletternder Skipper kommt zurück, er hat mir ein glattes Stück von den Felsen mitgebracht. Ich grins. Wie gesagt, ich mag solche Gesten. Sehr! Dann versucht mein motivierter Skipper noch einen Fisch zu fangen, wir beobachten kleine freche Fischerl, die sich, mir nichts, dir nichts, den Köder vom Haken stibitzen. Hier ist offensichtlich noch eine gewisse Kenntnis unsererseits gefragt. Wir werden üben, ich werde berichten.

Party mit den Nachbarn

Wir gönnen uns das eine oder andere Bier, oder Safti (Rezept siehe „Das Wetter, ein mieser Verräter V“). Ich habe mein Discolicht mit, die Stimmung ist bestens, das Bier schmeckt, die Box dröhnt. Wir tanzen in und auf der Mizzi und haben einen Riesenspaß. Ich habe eine deutsche Band entdeckt, „Moderat“ nennt sie sich. Sie erfreut mit warmen, analogem Elektro inmitten des Minimaltechno, mit einer Kombination aus der Körperbetontheit (BASS!!). So beschreibt Google diesen Musikstil. Ich würde ihn einfach als genial bezeichnen. Elektro und Techno, genau meins. (Für Interessierte „Let in the Light“ ist mal ein guter Einstieg, um sich mit diesem Stil vertraut zu machen) Da gibts kein Halten mehr. Gott sei Dank gefällt dies auch meinem tanzenden Skipper.

Der Bass ist spürbar und die Box gibt ihr Bestes. Auf einmal ist ein lautes Schreien von gegenüber zu hören. Die deutschen Jungs brüllen was in unsere Richtung. Ich denke kurz, es wäre eine Beschwerde, weil wir es hier ja doch recht krachen lassen, doch sie schlagen mit „99 Luftballons“ laut und kräftig zurück. Ich lache laut auf, ja so solls sein. Füllen wir die Welt mit Musik, egal mit welcher!

Am nächsten Morgen legen wir ab und motoren, weil es wieder keinen Wind gibt, in Richtung Heimathafen.

Es ist wieder grau in grau und ein bisschen kühler, aber nicht kalt. Und ich steuere die Mizzi heimwärts. Unterwegs erkenne ich die Buchten, die wir bereits näher begutachtet haben. Dann taucht auf einmal ein kleiner Campingplatz auf. Direkt auf den Klippen steht eine Frau und beginnt ihren Tag mit dem Sonnengruß. Ich grins. Na, vielleicht lockt sie damit die Sonne ja aus ihrem wolkigen Versteck.

Ich probiers wieder

Dann fahren wir in den Hafen ein und ich bitte meinen entspannten Skipper wieder anlegen zu dürfen. Ich brauch für dieses Wochenende dringend noch ein Erfolgserlebnis. Er nickt, grinst und stellt sich neben mich. Die Fender sind montiert und ich fahre langsam in die Nähe unseres Liegeplatzes. Jetzt aufpassen und langsam! Die Mizzi bewegt sich gerade noch im Schneckentempo, sie muss sich bewegen, sonst kann ich nicht steuern. Und gaaanz vorsichtig lasse ich sie in ihre Lücke gleiten. Geschafft! Ich hab angelegt! Ich bin stolz auf mich, ja das tut gut.

In Malinska kommt doch tatsächlich noch ein bisschen die Sonne raus und ich sitz, mit schnell rot werdenden, nackten Oberarmen, im Cockpit und genieße sie, meine Sonne. Dann ist es Zeit zusammenzupacken. Die bekannten Handgriffe und bald sind wir abfahrbereit. Ich gehe zum Bug und will auf die Kaimauer, doch mein Skipper steht noch hinter mir. Bis jetzt ist er immer vorgegangen und hat mir die Hand gereicht. „Geh mal vor, ich sperr noch ab.“

Wunder geschehn…

Entgeistert schau ich ihn an. Ich soll da alleine rüber? Er nickt mir aufmunternd zu. Ein bissl unsicher steig ich über die Reling und suche auf dem kleinen Spitzerl des Buges, das unter der Reling hervorschaut, mit dem linken Fuß Halt. Vorsichtig ziehe ich das andere Bein nach. Es hängt jetzt in der Luft. Kurz bekomm ich Panik, will zurück. Doch irgendwas treibt mich diesmal an. Und ich streck das freie, rechte Bein zur Mauer. Es geht sich aus! Und (fast) leichtfüßig steige ich „einfach“ aus. Ungläubig dreh ich mich um. Mein grinsender Skipper steht direkt hinter mir und grinst. Ich habs geschafft! Ich grins zurück. Freu mich riesig. Noch ein Erfolgserlebnis! Ich zieh die Schultern zurück, steh ganz gerade da. Bin stolz auf mich. Ich könnte gerade wie eine Irre vor Glück herumspringen und schreien, doch ich steh nur da, ganz gerade. Und strahle.

Im Auto denk ich nochmal über diese paar Tage nach. Schön wars wieder. Die Geier waren eine Überraschung, die Party der Wahnsinn, das Anlegen und Aussteigen ein großer Erfolg. Das mit dem Ankern wird schon noch, tröste ich mich im Stillen. (Nach vor…nach vor!)

Erst der schwere Kampf steigert den Wert des Erfolges.

Ich grins. Oh ja, ich werde kämpfen. Aber das ist sowieso meine Art.


0 Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Avatar-Platzhalter

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert