Oder: Nicht jede Möwe ist eine gute Möwe.
Am nächsten Morgen weckt mich Motorengeräusch. Ich wanke mit einem offenen Auge aus unserer Schlafkabine. Mein ausgeschlafener Skipper lichtet bereits den Anker und gibt Gas. Es ist 8 Uhr morgens. Draußen ist es grau in grau. Kein Wind. Ich nehme mir einen Kaffee und mir wird bewusst, dass sich bis jetzt meine Urlaubserwartungen net wirklich erfüllt haben. Man kann nicht einmal das Salz in der Luft riechen (es ist zu kalt) und das, das ich auf meiner Haut spüre, stammt doch eher vom gestrigen Angstschweiß. Wenigstens gibt es gerade keine Wellen und ich kann mich nach dem Kaffee auf gewohnte Weise für den Tag frisch machen.
Dann geselle ich mich, natürlich wieder in dicker Hose und Jacke (meine Sommerkleiderl warten in meinem Koffer und rufen mich…) zu meinem emsigen Skipper. Der ist ganz in seinem Element und erklärt mir, dass wir jetzt noch ein Zipferl von Istrien umrunden müssen und dann bald in Pula sind.
This is not allowed!
Pula! Ja, aufs Theater freu ich mich sehr. Ich liebe Sehenswürdigkeiten, oder Ausgrabungsstätten. Wie ein kleines Kind muss ich dort dann alles angreifen, die uralten, glatten Steine der Böden und Wände, der Säulen und Amphoren. „This is not allowed!“ hab ich nicht erst einmal gehört. Ich mag auch die diversen Informationen dazu, doch wenn ich diese alten Stätten berühre, habe ich das Gefühl noch mehr darüber zu erfahren, zu erfühlen. Ich war immer schon ein haptischer Mensch. Meine Finger gleiten über alles was ihnen unterkommt. Näher will ich darauf allerdings hier jetzt nicht eingehen.
Nach dem umrundeten Zipfel von Istrien taucht vor uns in der Ferne ein Leuchtturm auf. Lighthouse Porer. Ein besonders schönes Exemplar. Zügig nähern wir uns und mein freudig erregter Skipper packt seine Drohne aus. Ich versuche die Mizzi nahe, aber nicht zu nahe an den Leuchtturm zu bringen und dort zu halten. Und dann fliegt sie los, die Drohne. Umrundet den Leuchtturm, steigt hoch in die Lüfte und dreht sich über dem Turm im Wasser. Die Möwen schauen skeptisch, wir auch. Vor einiger Zeit hat eine mutige Möwe unsere Drohne attackiert. Das war wohl für alle Beteiligten sehr aufregend. Passiert ist, Gott sei Dank, keinem etwas, weder der Möwe noch der Drohne. Die heutigen Aufnahmen werden sicher wieder spektakulär.

Dann will mein geübter Skipper die Drohne wieder landen. Das funktioniert aber schwer auf dem unruhigen Boot. Hier sind wir jedoch bereits ein eingespieltes Team, denn ich habe vor einiger Zeit gelernt das elektronische Wunderwerk aus der Luft zu fangen. Diesmal ist es allerdings gar net so leicht, das Boot schwankt stark hin und her. Ich brauche einen festen Stand und beide Hände frei. Die Drohne kommt immer näher, doch kurz bevor ich sie erwischen kann, zischt sie nach rechts weg. Der Wind hat zugenommen und ist böig. Beim nächsten Versuch klappt es und ich habe sie wie eine wilde Riesenhummel in den Händen. Wir grinsen und freuen uns auf die Aufnahmen. Alles ist wieder gut gegangen. Die Möwen schauen noch immer, ich schau zurück.

Der Wind nimmt weiter zu und ich frag meinen motivierten Skipper, ob ich die Segel setzen darf. Er ist hocherfreut und zeigt mir ein Seil, das Großfall, an ihm ist das Großsegel montiert. Durch das Anziehen (Anholen) des Großfalls wird das Segel nach oben gezogen. Jetzt hab ich das ja schon mehrmals gesehen, so schwer kanns net sein. Ich ziehe also, nach einigen vorbereitenden anderen Griffen, an besagtem Seil. Na, geht eh! Aber dann doch net lang. Phu, das wird schnell recht schwer. Eh klar, ich ziehe gerade ein riesiges, schweres Segel nach oben. Am Schluss brauch ich Hilfe. Mein muskulöser Skipper macht das fast mit nur einer Hand. Jetzt schau ich doch verwundert. Er meint, das ist Technik, weniger die Kraft. Na, vielleicht beides, denk ich mir. Dann ist das Großsegel oben und die Genua wird gesetzt. Das macht er alleine. Ich steuere und genieße das Gefühl wenn die Mizzi durch den Wind in ihren Segeln an Fahrt gewinnt und sich schräg legt, wenn sie krängt. Diese Schräglage macht mir immer mehr Spaß, diesmal empfinde ich überhaupt keine Unsicherheit mehr.
Es geht schön dahin, es sind auch andere Segelboote unterwegs. Ich kann ein Lehrschiff beobachten, darauf wird trainiert. Immer wieder wendet das Boot, dadurch müssen die Segel neu ausgerichtet werden. Dann wiederum wird ein Fender (Gummiding zwischen den Booten in den Häfen) über Bord geworfen, den muss man bergen. Es werden weitere Manöver eingeleitet und man versucht mit dem Mooringhaken den Fender zu erwischen. Ich schau vorsichtig meinen Skipper an, na hoffentlich fällt ihm nicht auch so ein „Spaß“ ein. Doch er ist entspannt, blickt glücklich übers Meer und die Wellen und hält seine hübsche Nase in den Wind.
Dann kommen wir zur Hafeneinfahrt von Pula. Die Segel müssen eingeholt werden, ab jetzt gehts mit dem Motor weiter. Die Hafenmauer ist teilweise unter Wasser und dadurch schwer zu erkennen. Mein informierter Skipper weist mich aber korrekt daran vorbei. In der Einfahrt bläst uns der Wind entgegen, es wird ungemütlich und kalt. Die Sonne hat sich wieder ganz hinter der grauen Wolkendecke versteckt. Während der Fahrt hat sie sich immer wieder kurz gezeigt. Im Hafen, ein großer Industriehafen mit großen Kränen und unzähligen großen und kleinen Booten und Schiffen, sind nur mehr fünf Knoten erlaubt. So tuckern wir zuerst einmal zu einer Tankstelle. Mein emsiger Skipper montiert alle Fender backbord, also links. Ich nehme immer mehr Gas weg, bis wir nur mehr im Leerlauf, angetrieben vom verbleibenden Schwung, sanft an einer Gummiwand, eben backbord, anlegen. Dort wartet bereits der Tankwart. Ich werfe ihm eine Leine zu und er fixiert damit das Boot an der Mauer. Eine Leine vorne und eine hinten und unser Boot liegt ruhig. Der Tankwart reicht meinem bereits beim Tankloch knieenden Skipper den Zapfhahn und dann gurgeln 75 Liter Diesel in die Mizzi rein.
Fast wie auf einem Campingplatz!
Wir wollen über Nacht bleiben, deswegen fahren wir nur ein kleines Stückchen weiter in die Marina. Hier verhält es sich wie auf einem Campingplatz, allerdings auf dem Wasser. Auch hier muss man sich anmelden und bekommt einen Platz zugewiesen. Nur kann man eben nicht so einfach in die Rezeption gehen und „Hallo, wir sind jetzt da.“ sagen. Hier wird gefunkt, auf Kanal 17.
„Pula Marina, Pula Marina this is sailing vessel Mizzi. Do you read me? Over.“
Mein ohnehin schon sehr cooler Skipper lehnt lässig mit dem Funkgerät in der Hand am Niedergang und schaut grad noch a bissl cooler aus. Fast sofort bekommen wir Antwort und uns wird winkend ein Platz zum Anlegen gezeigt. Mein versierter Skipper legt mit dem Heck an. Ich werfe die Leinen und der vorher winkende Mensch nimmt sie mir ab und macht die Mizzi am Steg fest. Zwei Mooringleinen halten das Boot von vorne fest. Und dann… oh Wunder, legt mein routinierter Skipper die Passerella zwischen Boot und Steg. Ein Brett auf dem ich ohne Ängste und Schmerzen vom und aufs Boot komme. Das will ich in Malinska auch! Ich raunz. Leider geht das dort nicht so gut, es ist am Kairand für Mizzis Tiefgang zu seicht. Na gut.
Von unserem Liegeplatz aus kann man das Amphitheater sehen. Und nach ein paar organisatorischen Handgriffen, wie Stromkabel anstecken und Bier öffnen, beschließen wir, uns das Theater heute noch anzusehen. Ich freu mich!!
(Fortsetzung folgt)
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