Oder: Wer kotzt, verliert!
Endlich! Eine Woche Urlaub! Wie sehr hab ich mich darauf gefreut. Voriges Jahr ist mein geplanter Urlaub, aus unterschiedlichen Gründen, ins Wasser gefallen. Ich bin urlaubsreif, sehr, trotz unzähliger Lockdowns, die ich zuhause verbracht habe. Ich will ans Meer, in die Sonne. Ich will das Salz in der Luft riechen und auf der Haut spüren, ich will Cocktails und Party, ich will gute Stimmung, Musik und ein bisschen gebräunte Haut. Ich bin mehr als bereit für Sommer, Sonne und Spaß!
Beim Packen meiner Kleidung wird mir allerdings bewusst, dass wir ja doch erst April haben und ich stopfe zu den Bikinis, Sommerkleidchen und kurzen Hosen ein paar wärmere Sachen dazu. Natürlich haben meine neue, alte und große Liebe (dazu schreib ich einmal ein Buch) und ich die Wettervorhersage studiert. Naja, so berauschend schaut die nicht aus. Ich bin trotzdem guter Dinge. Ich will jetzt endlich Sonne, und Schluss!
Da wir wieder mit der Mizzi unterwegs sind, ist mir aber auch klar, dass eine Softshelljacke und eine warme Thermohose mit müssen. Man lernt ja dazu…
Ich freu mich auf die unzähligen Fotos die ich machen werde. Außerdem wollen wir wieder ein Reise- und Segelvideo machen. Zu diesem Zweck haben wir einen großen Teil unserer Mediaausrüstung mit. Neu mit dabei ist ein Gimbal, ein faltbarer Stabilisator, der beim Filmen mit dem Handy unterstützt.
Am Sonntag morgen fahren wir los, werden an den Grenzen durchgewinkt und sind um zirka 14 Uhr in Malinska. Die Mizzi wackelt fröhlich hin und her während wir bepackt mit sämtlichen Taschen zum Hafen kommen. Wir schaffen alles an Bord, ich brauch für meine Wenigkeit die helfende Hand…man weiß Bescheid, und richten uns erstmal ein. Da es zwei Kabinen gibt, wird eine unser begehbarer Schrank. Sehr praktisch! Danach gibts ein Bierchen und mein geschickter Skipper arbeitet gleich an der Elektronik weiter. Hier ist noch vieles neu zu verlegen, ein- und umzubauen, anzuschließen und zu programmieren.
Es ist bewölkt und kühl. Im Cockpit kann man nicht sitzen. Ich kümmere mich wieder um die Nasszelle und die Küche und freu mich, wenns glänzt und duftet. Es ist angenehm warm, die Heizung läuft. Wir hören Musik, die Stimmung ist gut.
Am Abend gehen wir Burger essen. Wie immer herrscht hier ein angenehmes Ambiente und die Speisen sind wieder ein Gedicht.
Dann gehen wir bald schlafen, der Tag war lang und morgen wollen wir los. Wir haben eine Tour zusammengestellt: Zuerst gehts nach Pula, um dort das Amphitheater zu besuchen und danach weiter nach Rovinj. Dort wollen wir die Altstadt bewundern, durch die Gässchen schlendern, essen gehen und abends in einer schönen Bar einen tollen Cocktail schlürfen. Ich hab im Internet ein bisschen recherchiert. Die Bilder dieser Stadt sind wunderschön. Ich freu mich sehr auf Rovinj!
Am nächsten Morgen ist der Himmel grau und es ist windig und frisch. Irgendwie fehlt uns heute die Motivation, das Wetter dämpft wohl die Stimmung. Um 11.30 Uhr legen wir dann doch ab und machen uns auf den Weg nach Istrien. Ich hab mich ordentlich eingepackt, doch mein nachdenklicher Skipper meint, ich sollte doch auch seine Ölzeugjacke anziehen und darüber die Rettungsweste. Das lässt mich auch nachdenklich werden.

Ich steuere die Mizzi, die Segel sind gesetzt. Der kalte Wind kommt von hinten, wir haben raumen Wind, sagt man. Deshalb kommen die Wellen auch von hinten. Es gibt kein regelmäßiges Hin und Her, oder Auf und Ab. Ständig macht die Mizzi mit uns eine andere unerwartete Bewegung. Es ist relativ schwer den Kurs zu halten, die Wellen schieben uns mal in die eine und dann in die andere Richtung. Dann knattern schnell die Segel, sie killen, sagt man, und der Baum vom Großsegel macht sich selbständig. Das ist nicht ungefährlich, vor allem, wenn man sich daneben aufhält. Mein schweigsamer, doch emsiger Skipper zieht dort und lässt da ein Seil nach. Es ist ein mühsames Herumgehopse.
Ich mach uns ein paar Brote
Dann geh ich runter in die Küche um uns einen kleinen Happen Essen zu richten, Brote, Wurst, Käse und Eier, mein ebenfalls dick eingepackter Skipper übernimmt das Steuer. Zuerst muss ich aber aus der Rettungsweste und dem Ölzeug raus. Diese Jacke ist für mich ein kleines Wunder, sie ist absolut winddicht und hält herrlich warm. Darunter trage ich meine Softshelljacke, nur mit ihr würde ich ziemlich sicher bereits bitterlich frieren. Notiz an mich: Ich bersorge mir eigenes Ölzeug.
Ich muss mich setzen um mich aus den Jacken zu wurschteln. Im Bauch der Mizzi wirkt diese unruhige Fahrt noch viel unangenehmer. Draußen kann man sich zumindest ein bisschen auf die nächste Bewegung einstellen, man sieht die Wellen um sich herum und ahnt Mizzis nächste Reaktion darauf.
Na, wenn ich unten bin, geh ich gleich auch auf die Toilette. Es ist mir fast unmöglich aus meiner Hose und danach in das winzige Kammerl zu kommen. Ich stoße mir fest den Kopf und bin doch über dieses Ausgeliefertsein erschrocken. Ich taumle, natürlich nach einem spektakulären Händewaschen, in die kleine Küche. Ich nehme das Brot und das Brotmesser, dazwischen muss ich mich immer wieder festhalten. Gott sei Dank, gibt es dafür überall Griffe und Stangen. Jetzt volle Konzentration, sonst ist ein Finger weg. Ich schaffe vier Scheiben. Dann spüre ich eine leichte Übelkeit in mir aufsteigen. „Geh bitte, Soso…“ sag ich zu mir, ich bin ja sonst auch seefest. Ich fliege fast kopfüber in den Eiskasten, aus dem ich die Wurst und den Käse holen will. So, geschafft. Kurz hab ich keinen Boden unter den Füßen, danach drückt es mich fest gegen die Wand hinter mir. Die Übelkeit ist jetzt eindeutig spürbar und dauernd vorhanden. „GEH BITTE!“ schimpf ich mit mir. Ich habe in einem fahrenden Wohnmobil ebenfalls Brote gerichtet, viele Male. Das ist doch nix anderes! Ich schäle ein Ei und kann es ohne Verletzung vierteln. Sogar ein bisschen Senf schaff ich noch auf jedes Stück.
Der Geruch vom Essen und schon wieder fehlt der Boden unter den Füßen. Ich muss würgen. „GEEEHHHH BIIIITTTTTEEEEEEE!“ schrei ich mich in Gedanken an. Die Hälfte des Essens leg ich auf einen Teller und irgendwie schaffe ich es zum Niedergang, ich stelle den Teller ins Cockpit. Dann setz ich mich hin. Nicht gut! Ich muss raus. Schnell! Zuerst muss ich aber noch die Jacken wieder anziehen und die Rettungsweste umlegen. Ich schaff das. Dann stolpere ich raus. Immer wieder muss ich bittere Magensäure schlucken. Oh nein! Ich werde nicht spucken! “ ….gggeeehhh biiiitteee…..“ raunz ich mich im Geiste an. Ich setz mich zitternd hin und muss mir immer wieder die Hand vor den Mund halten. Ich würge, mein Magen krampft und Tränen laufen mir über das Gesicht. Nicht unbedingt die Erscheinung, die man vor seiner neuen, alten und großen Liebe sein möchte…(das Buch….jaaaa). „Na, ist dir schlecht?“ fragt mein cooler, wetterfester Skipper. Ich kann nur entsetzt nicken und spüre den kalten Schweiß meinen Rücken hinunter laufen. „Ja,“ sagt er „das ist ja auch ein Spreibkurs.“ Entgeistert schau ich ihn an. Aso? Das beruhigt mich ein bisschen, auch anderen wird bei solchen Verhältnissen wohl übel. Ich finde es ein wenig schade, dass er mich nicht vorbereitet hat, ich denke dann hätte ich mit dieser neuen Situation besser umgehen können. Diese heftige Übelkeit hat mich völlig überrascht.
Ich sitze da und schau nach vorne, die kalte Luft tut mir gut. Essen kann ich nix. In der Küche hab ich alles liegen und stehen gelassen. Mein unerschütterlicher Skipper wartet a bisserl, drückt mir dann das Steuer in die Hand, geht entspannt runter und räumt in der Küche wieder auf. Ich kann nicht reingehen. Nie wieder, glaub ich.
Langsam gehts wieder besser, ich trinke Wasser und schau aufs Meer. So ists gut.
Nach einer Weile meint mein entspannter Skipper, dass wir uns jetzt eine Bucht suchen, um dort zu übernachten. Wir haben 40 Seemeilen hinter uns gebracht und finden eine schöne, geschützte Bucht neben einem Steinbruch. Plötzlich fallen uns große, gelbe Quallen auf, zuerst nur vereinzelt, je näher wir der Bucht kommen tauchen immer mehr auf. Sie bewegen sich geschmeidig an der Mizzi vorbei. Es handelt sich um die Spiegeleiqualle, setzt mich mein allwissender Skipper in Kenntnis. In der Bucht setzen wir Anker, dann werde ich noch mit einem herrlichen Abendessen verwöhnt. Es gibt Lachs mit Gemüse. Sehr gut! Ich kann wieder essen, als ob nie was gewesen wäre. Vergessen werde ich diesen unwürdigen Zustand aber net so bald.
(Fortsetzung folgt)
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