Na, servas! Ich hab an Stress! Ich kann erst um sechs Uhr abends von der Arbeit weg und soll um sieben Uhr auf der Donauinsel auf den Afrika Tagen sein. Das wird ganz schön knapp. Ich treffe mich erneut mit Sabine dort. Allerdings eben abends und das ist der große erfreuliche Unterschied. Wir wollen uns heute ein Konzert von Nneka anschauen. Ich freu mich, erzähle das meiner Kollegin und sie (Hier ein herzliches „Dankeschön!“) lässt mich ein bisschen früher gehen.

Mit diesen fünfzehn Minuten mehr, geht sich der Zeitplan auf jeden Fall besser aus. Ich fahre, wie immer ein bisschen über der angegebenen Geschwindigkeitsempfehlung, und bin wieder über die Spritzigkeit und Wendigkeit meines Kia Vengas überrascht. „Brav!“ lobe ich meinen fahrbaren Untersatz, nachdem er sich wie ein Rennwagen in die Kurven legt und teilweise beschleunigt, als wäre jemand hinter uns her.

Frisch und weg!

Zuhause stell ich mich schnell unter die Dusche, zieh mich um. Das Outfit habe ich natürlich bereits gestern, nach stundenlangem Herumprobieren und Überlegen, zurecht gelegt. Ich habe mich für das schwarze, heiße Top entschieden, das ich auch bereits am zweiten ELF-Tag anhatte. Lange hab ich mir einen süßen, geschlitzen Rock überlegt, da ich aber (höchstwahrscheinlich) alleine in den Öffis heimfahren werde, fühl ich mich in einer Hose wohler. Dann schmink ich mich noch ein bissl nach und bin schon wieder unterwegs. Nun allerdings mit den Öffis.

Renn, Soso, renn!

Wenn man mich rennen sieht, sollte man es mir gleichtun, denn dann gibt es wirklich einen driftigen Grund. Ich laufe nie. Mein Körper ist dafür nicht geschaffen, er kann das eigentlich nicht. Es fühlt sich nicht normal, oder gesund an und ich befürchte es sieht bei mir auch nicht danach aus.

Heute mache ich eine Ausnahme. Ich seh den Bus schon herankommen. Ich beginne zu rennen. Genauso gut könnte ich versuchen, mich in die Lüfte zu erheben. Es funktioniert gleich gut. Also, ich tu mein Bestes, ob schön oder net und erreiche nach Atem ringend noch meine erste Mitfahrgelegenheit. Im Bus wird Maske getragen und hinter der versuche ich noch minutenlang den Kampf gegen den Tod durch Sauerstoffmangel zu gewinnen. Es ist sehr heiß und diese Aktion lässt mich transpirieren wie einen Marathonläufer. Egal, ich bin unterwegs und habe ein paar Stationen Zeit um mich wieder zu beruhigen.

Dann steige ich in die U-Bahn um. Auch hier muss ich meine Unfähigkeit der raschen Fortbewegung per pedes unter Beweis stellen. Wie ein sterbender Käfer erklimme ich die letzten Stufen und oh Wunder…. erreiche doch tatsächlich noch meinen Zug.

Pierre und Otis sagen „Hallo“

Gott sei Dank bricht mir hier nicht wieder der Schweiß aus und ich setze mein unnahbares Ladygschau auf. Unter meiner Maske dampft es. Na, so unnahbar seh ich anscheinend dann doch nicht aus, (Daran muss ich noch arbeiten! Notiz an mich.) denn zwei dunkelhäutige, junge Männchen fragen mich nach der Haltestelle zu den Afrikatagen. Sie sprechen englisch, aber so weit geht´s bei mir noch und wir fangen doch tatsächlich ein bissl zu quatschen an. Naja, der Pierre kommt, nona, aus Frankreich und der Otis aus den USA. Obs stimmt…mir ists egal. Wo ich denn herkomme? Aha, aus Vienna! Schau schau. Dem Otis wird zusehends immer heißer und ich grins hinter meiner Maske.

Haltestelle „Neue Donau“, da müssma raus. Alle. Die U-Bahn leert sich und in der Horde streben wir den weißen Zelten zu. Die beiden bleiben zurück, müssen sich wohl noch gewisse Rauchware besorgen. Ich zisch weiter und bin doch tatsächlich fünf Minuten vor sieben beim Eingang.

Ich bin daaaahaaa!

Nach einer kurzen Nachricht über meine doch so rechtzeitige Anwesenheit an Sabine, kommt diese bald daher und gemeinsam strandeln wir wieder durch die bunten Gasserln. Ich kauf mir einen Ring aus Edelstahl und Sabine gönnt sich bunte, große Ohrringe. Danach beschließen wir etwas zu essen. Diesmal hab ich ja meine liebe Freundin an der Seite und ich wage mich mit ihr und ihrem Wissen an einen kenianischen Stand.

Eine freundliche Dame hat bereits einen leeren Teller in der einen und einen Schöpfer in der anderen Hand. Sie fragt mich was ich denn gerne wolle. Ich erkenne Reis, ja den will ich bitte, und eine Art Gemüseeintopf, den auch bitte, ein bisserl. Es gibt Teigtaschen, was darin ist, weiß ich nicht. Das Fleisch trau ich mich nicht zu kosten. Ich esse ungern scharf und selbst wenn ein „Nein, das ist gar nicht scharf, probieren Sie ruhig!“ kommt, ist es mir schon passiert, dass ich beim ersten Bissen Angst um meine Magenwand, meinen Darm und dessen Ausgang bekomme.

So, also ein bisschen Reis und Gemüse. Danke. Die Dame lacht und meint, das sei ja eine Kinderportion. Ich bleib trotzdem dabei und setz mich mit meinem Teller an einen freien Tisch. Sabine kommt gleich nach, sagt sie. Vorsichtig probiere ich die Speisen, sie sind mild und schmecken fremd, aber gut. Sabine hat sich anders eingedeckt. Auf ihrem Teller glaube ich das gesamte Repertoire der Vitrine zu finden. „Ich hab an Hunger“, sagt sie und haut ordentlich rein. Auch ihr schmeckt es und so sitzen wir gemütlich im nicht allzu dichten Trubel und lassen es uns gut gehen. Wir bequatschen Frauenzeugs und Dinge, die mit einem Kleinkind an der Seite oftmals unpassend wären. Es tut gut, sich in Ruhe unterhalten zu können. Auch das genießen wir sehr.

Nneka, teilt mir meine informierte Freundin mit, hat leider abgesagt. Sie wurde als Highlight im lineup geführt. Die Gäste sind a bissl enttäuscht. Stattdessen tritt eine Habyba auf. Diese kennt sie allerdings nicht und wir sind beide auf die neuen, fremden Klänge neugierig.

Echt jetzt?

Ich hab wieder mein obligatorisches Bier in der Hand und wir gehen mit anderen Besuchern Richtung Bühne. Auch heute hängen immer wieder Rau(s)chschwaden von Cannabis in der Luft. Ich mag den Geruch und schnuppere mich meinen Weg entlang. Jetzt demnächst soll die Show beginnen. Ich stelle mir was erdiges vor, mit Trommeln und einer Musik, bei der man mitmuss, ob man will, oder nicht.

Eine vielversprechende Ankündigung, lässt die maximal zweihundert Zuschauer, ja, wirklich viel ist an diesem Freitagabend nicht los, erfreut aufschreien und applaudieren. Gespannt blicken wir auf die Bühne, auf der die Band sichtbar wird. Ein Keyboarder, ein Drummer, ein Gitarrist und einer der an drei großen afrikanischen Trommeln sitzt. Die Musik setzt ein, der Sound ist gut.

Da springt auf einmal eine dunkelhäutige junge Frau in einem rosa, mit Blumen verzierten, Kleid aus den 60er Jahren im Stil des Petticoat, auf die Bühne. Ihre Haare sind zu kurzen Zöpfen geflochten. Sie schreit und springt animalisch zwischen den Bandmitgliedern herum. Ich bin irritiert.

Sie hört nicht auf zu schreien. Sie wirkt völlig überdreht, oder verrückt. Dann beginnt sie endlich zu singen und ich erkenne, keine Ahnung, ob es sowas gibt, oder man es so nennt, afrikanischen Jazz. Na, fein. Jazz ist eine der wenigen Musikrichtungen, die ich so gar net mag. Sabine rümpft die Nase. Aha, ich bin mit meiner überschaubaren Enttäuschung nicht alleine.

Das Kleid ist ein Wahnsinn!

Sie springt und schreit und tobt da vorne in weit übertriebener Euphorie herum. Das Kleid wirkt deplatziert. Abgesehen von den das Auge beleidigenden Farbkombinationen ist es bei den breit angewinkelten, gespreizten und springenden Beinen der Sängerin fehl am Platz. Ein Lied folgt dem nächsten, es wird net wirklich besser. Irgendwann lädt der rosa Flummi die Damenwelt ein mit ihr auf der Bühne zu tanzen.

Ein Dejavu!

In dem Moment fällt mir ein Erlebnis aus meiner Kindheit ein. Ich war mit meiner Mutter und meiner Schwester bei einer Theatervorstellung mit Clowns. Auch die haben die kindlichen Zuseher aufgefordert, doch zu ihnen auf die Bühne zu kommen und mit zu tanzen. Ich weiß noch genau, dass ich in diesem Augenblick einen Kopf kleiner geworden bin. Ziemlich sicher wurde ich weiß im Gesicht und danach durchsichtig. Auf die Bühne? Niemals! Vorher sterbe ich und davor würde ich wahrscheinlich noch erbrechen. Alles. Das ist bis heute so. Meine Schwester ist damals freudig aufgesprungen und nach vorne gelaufen. Ich habe sie bewundert und realisiert, dass wir verschiedener nicht sein könnten.

Alle tanzen

Überraschend viele junge Frauen kommen zum Flummi auf die Bühne. Ich erkenne bei vielen den irren Drang im Mittelpunkt zu stehen. Die eine tanzt, als hätte sie eine Wespe im Shirt. Eine andere, als müsse sie damit diversen Herren zum sexuellen Höhepunkt verhelfen. Die anderen irgendwie. Mittendrin der rosa Gummiball, noch immer laut kreischend. Mein Bier ist leer. Ich glaub, da hab ich mir noch eines verdient. Ich geb Sabine Bescheid und zieh für ein frisches Hopfengebräu los. Da hinten ist es weitaus gemütlicher. Die Sitzgelegenheiten sind alle besetzt, die Leute unterhalten sich gemütlich und überall ist nette, unaufdringliche Musik zu hören. Ich bekomm mein Bier und bin wieder entspannt.

Ich gehe zurück zu unserem Platz und sehe Sabine ungläubig auf die Bühne starren. Ja, tatsächlich. Der rosa Petticoat springt wie ein Frosch über die Bühne. Die Damen aus dem Publikum ist sie nicht mehr losgeworden. Die eine hat noch immer ein Insekt im Shirt, und die andere „Augenweide“ ist auch noch immer nicht fertig. Die anderen führen sich ebenfalls auf, als würden sie mit den Rolling Stones auf der Bühne stehen.

Aus is!

Dann ist es vorbei. Gut so. Wir sind beide ein bisschen enttäuscht, haben uns mehr erwartet als dieses Kasperltheater.

Jetzt gehen wir noch zu Akram. Sein Zelt ist ja gleich da und wir haben noch Zeit. Sabine hat mir sehr lieb erklärt, dass sich um 12 Uhr Mitternacht ihre Kutsche (die U6) in einen Kürbis verwandelt und sie deshalb noch rechtzeitig nach Hause muss. Man merkt sie hat ein Kleinkind. Ich habe den Wink verstanden und genieße die verbleibende Zeit mit ihr.

Da ist was los!

In Akrams Zelt ist was los! Eine fremde Musik wird laut gespielt und sobald man sich ein Platzerl auf den niedrigen Hockern gefunden hat, heißt es wieder aufstehen und … mittanzen. Denn alles hier in Akrams Beduinenzelt tanzt. Es ist ein Riesenspaß, na da machen wir schon mit. Die Musik, die Leute, die Stimmung ist unbeschreiblich und hier herrscht mehr Spaß und Freude, als uns die Leute auf der Bühne jemals hätten vermitteln können. Ich kann vorbeikommende Gäste beobachten, die erstaunt in das weiße Zelt schauen, in dem es wurdlt, die Gäste, das Servicepersonal, und Akram selbst, alle tanzen. Eine sehr alte Dame ist auch mit dabei. Sie stößt mit ihrem Stock die unwilligen Gäste an mitzumachen, bis sie es tun.

Alles hat ein Ende

Dann ist es wirklich Zeit, uns auf den Weg zur U-Bahn zu machen. Wir marschieren nochmals durch die Gässchen und genießen die bunten, teils heißen, einfallsreichen und manchmal duftenden Verlockungen aus den unterschiedlichen Zelten.

Und wieder geb ich mir ein Versprechen. Nächstes Jahr möchte ich erneut hier her. Ich werde mich auch vorher über die unterschiedlichsten Acts informieren. Ich kann mir vorstellen, dass Bob Marleys Sohn die Bühne gerockt hat und dass da wesentlich mehr los war. Vielleicht erwische ich ja dann was Spektakuläreres. Obwohl, die Verrückte im rosa Petticoat schon etwas Einzigartiges hatte. Ob sie jemals wieder aufhören kann zu hüpfen?

Gute Nacht.

Kategorien: Event

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