Oder
Heißer Bart am Campus
Erst vor kurzem habe ich im Internet eine (für mich) neue Bar entdeckt und diese schreit natürlich bereits laut nach meinem Besuch.
THE BIRDYARD: FARBENFROH IN DIE WIENER NACHT
Knallbunte Schwäne und Paradiesvögel fliegen über die Wände. Hier schillern auch die Cocktails mächtig in der Nacht. Die Bar der Mama Liu & Sons-Betreiber ist eine Kombination aus Farben, Geschmack und alternativen Säurequellen des Wiener Takka-Tukka-Land des Trinkens. (O-Ton)
Ein doch recht holpriger Beitrag im Internet von Roland Graf (bereits aus dem Jahre 2019, aha…da schau her…) lässt mich trotzdem interessiert weiterlesen und bald darauf im achten Bezirk in der Lange Gasse einen Platz für zwei reservieren.
Ja, aber wo denn?
Mit den Öffis komme ich ein bisschen zu früh am Ort der versprochenen Paradiesvögel an, doch von denen ist weit und breit nichts zu sehen. Immer wieder stellt mich Google-Maps vor ein Bistro, doch als blonde und trotzige Wienerin glaub ich ihm nicht und marschiere immer wieder genervt und suchend die Straße auf und ab. Bis ich von meinem Handy (könnte es die Augen verdrehen, würde es dies sicher tun…) wieder ein – „nein, falsch, dreh um“ – bekomme.
Skeptisch trete ich dann halt in dieses Bistro ein. Die Türe ist offen, die Wände zur Straße hin vollständig aus Glas. Bereits von außen habe ich ein paar wenige Gäste an den kleinen Holztischen und Holzbänken Burger und andere Kleinigkeiten essen sehen. Eine Seitenwand mutet mit gemalten großen, grünen Blättern ein bisschen dschungelartig, ohne irgendeinem Vogel, an. Neben der Theke, hinter der direkt die Küche anschließt und einsehbar ist, steht ein Wurlitzer, dieses Stück entlockt mir ein Grinsen und ich entspanne mich ein bissen.

Der Koch/Kellner/Kassier schaut mich an und ich sag ihm, dass ich einen Tisch für zwei um neunzehn Uhr reserviert hätte. Er schaut, ich auch. „Naja“, sagt er, „du kannst dich hier wo hinsetzten.“ – „Hier?!“ ich schau ihn ungläubig an. „Ja, wenn es hier voll ist, machen wir oben auf.“
Entgeistert nehme ich an einem kleinen Tischchen auf einer harten Holzbank Platz und warte auf Doris, mit der ich eigentlich diesen vogelfreien (nettes Wortspiel, oder?) und lustigen Abend verbringen wollte. Es ist noch nicht kalt, aber kühl und es weht ein kräftiger Wind durch die offene Tür, er lässt es hier auf meinem Platzerl recht schnell ungemütlich werden.
Dann kommt Doris daher und schaut mich verwundert, auf meinem harten Holzplatzerl, sitzend an. Ich grins genervt zurück. Kurz setzt sie sich zu mir und nachdem wir nicht mal ein ansprechendes Getränk auf der Karte gefunden haben, machen wir uns enttäuscht davon.
Bars und Lokale an jedem Eck!
Nun, wir sind im achten Bezirk… hier wimmelt es von Unterhaltungs-Gastro, wenn nicht hier, dann halt wo anders. Wir marschieren nur über die Alser Straße und biegen gleich daraufhin ins „Alte AKH“ ein. Hier am Campus ist man ein bisschen vor dem unangenehmen Wind geschützt und es reihen sich einige nette Lokale aneinander.
Ein bisschen weiter hinten hören wir lautes Stimmengewirr mit Musik, dort marschieren wir natürlich zielstrebig hin. Ja, hier ist was los, im Salettl am Campus, oder auch „Sommer-Camp“. Die Sitzgelegenheiten sind openair und fast jeder Tisch ist bereits besetzt (in der kleinen Hütte dahinter befinden sich nur die Küche und die Bar). Wir ergattern gerade noch einen tollen Platz, sogar im Windschatten und setzen uns. Hinter uns hängt, wieder einmal, der Lautsprecher.
„Ordinary World“ von DuranDuran ertönt hinter uns und wir lehnen uns in die Pölster auf unserer Palettengarnitur und entspannen. Wir grinsen uns an, schon lange nicht mehr gehört…(tja, und jetzt—-streamen, eh klar.)

Die Stimmung hier ist hervorragend, manche Gäste singen mit, es wird getrunken und gegessen. Die Serviceleute beeilen sich, alle Wünsche und Bestellungen zu erfüllen. Es ist bereits dunkel und die unzähligen Bäume rund um uns rascheln im Wind, der uns hier nicht erwischt.
Eine junge Frau kommt und begrüßt uns herzlich. „Hallo ihr Lieben!! Dies ist unser letzter Abend, bevor wir in die Winterpause gehen. Heute sind alle Getränke minus fünfzig Prozent. Was darf ich euch bringen?“ Wir schauen sie erstaunt an, grinsen und bestellen. Ich freue mich auf einen Pink Mojito und Doris bestellt sich einen Gin-Cocktail.
Zu „Don´t Go“ von Yazoo läuft das Mäderl zurück Richtung Bar, wobei sie noch ein paar Bestellungen von anderen Tischen aufschnappt.
Weiter hinten stehen ein paar kleine Palmen in großen Töpfen, sie bewegen sich immer wieder in den stürmischen Windböen. Ich weise Doris daraufhin und ein bisschen wehmütig denken wir an die riesigen Prachtpalmen auf Zakynthos zurück.
Zu „Smalltown Boy“ von Bronski Beat bekommen wir unsere Getränke. „Gleich noch einmal?“ fragt das Mäderl abgehetzt, aber wir bremsen ihren Enthusiasmus und vertrösten sie auf später.
Hier ist heute was los, die Getränke werden, wie wir jetzt beobachten, in Schüben bestellt und gebracht. Auf riesigen Tabletts werden zusätzlich wunderschöne, duftende Gerichte fast im Laufschritt an uns vorbei befördert.
Ein „AAHH!“ vom Nebentisch lässt erkennen, wo eines abgesetzt wurde. Das Servicepersonal gibt alles, ist engagiert und überaus freundlich, trotz des ganz offensichtlich enormen Stresses.
Die heutige Vergünstigung lässt wohl so manchen Gast hysterisch und gierig bestellen, das wurde sicher so erwartet und berücksichtigt. Man will hier auf so wenig Ess- wie Trinkbarem über die Winterpause sitzen bleiben. Verständlich! „Dancing With Tears In My Eyes“ von Ultravox unterstreicht hier die einerseits hektische und andererseits entspannte und fröhliche Atmosphäre.
Bald hören wir allerdings von den jungen Kellnern und Kellnerinnen an den anderen Tischen, dass dies oder jenes bereits aus ist und vielleicht was anderes passen würde.
Ja, so geht das. Raus, alles muss raus! Die Leute sind gut, sind ein Wahnsinn!
Ich winke und recht schnell ist ein anderes Mäderl da und nimmt unsere Bestellung auf. „Nochmal bitte“ und sie rennt schon. Die ist jung, die hält das aus, denk ich mir und mein Fuß wippt zu „Dance Hall Days“ von Wang Chung leicht auf und ab.
Unsere Getränke werden überraschend rasch bei uns abgestellt. „Yamas, Süße!“ Doris und ich grinsen uns an und genießen unsere frischen Cocktails.

Spätestens jetzt sind alle Tische besetzt und das Servicepersonal wird nur mehr als rennendes Beiwerk wahrgenommen. Zu „Fade To Grey“ von Visage stolpert ein junges Mäderl vom Service, fängt sich aber wieder und kann erleichtert alle Getränke vollständig abliefern.
Irgendwie ärgert mich die Sache mit der Vogerlbar aber immer noch, ich tue meinen Unmut Doris kund und möchte danach nochmal hinschauen. Doris ist dabei. Gut. Ich hab was übersehen….irgendwas…..grüble ich.
Oh, cool! „Blue Monday `88“ von New Order lässt uns, hin und wieder von Föhrennadeln beworfen, auf unseren Polsterln herumzappeln.
Na, eine dritte Runde geht aber noch und ich versuche die Aufmerksamkeit von einem der jungen Servicemitarbeiter zu erhaschen. Keine Chance. Die rennen und zischen herum. Ich winke und deute unbemerkt herum.
Nach einiger Zeit, ich habe bereits fast aufgegeben und die aktuelle Situation zur Kenntnis genommen, kommt ein bärtiger Mittvierziger auf uns zu. „Darf ich den Damen noch etwas bringen?“ Äußerst charmant (ja ich geb´s ja zu, er ist schon recht süß) meint er bedauernd „Pink Mojito“ gibt´s nicht mehr, einen normalen vielleicht. Nun, bring mir, was du willst, will ich sagen, bestelle aber konzentriert einen „normalen“. „Gute Wahl“ meint er und eigentlich will ich seine Telefonnummer….
Doris bestellt sich noch irgendwas ohne Alkohol und er geht mit „(Feels Like) Heaven“ von Fiction Factory im Rücken.
„Das ist, glaub ich, der Chef“ meint Doris und zeigt auf die wild im Wind knatternden Flaggen beim Eingang. Stimmt! Darauf ist dieses bärtige Männergesicht zu sehen und auf den Speisekarten und auf den….
…. er ist wieder da, bringt uns unsere Getränke und schenkt uns zum „Abschied“ noch Rommé-Karten auf deren Rückseite sein Abbild zu sehen ist, das Logo der Bar, sozusagen.

Wir sind alle drei begeistert und bevor noch irgendwas Anderes, Interessantes, oder Idiotisches passiert, geht er und wir Mädels schlürfen gierig, jede ihren Gedanken nachhängend, an unseren Getränken.
Schöne Weihnachten und einen guten Rutsch!
Bald darauf wird uns doch schon ein bisschen kühl, unsere Getränke sind leer und ich winke wiederum um die Rechnung. Diesmal geht es schneller und ein junger Mann kassiert von uns siebenundzwanzig Euro. Für beide. So geht man gerne aus und nachdem wir mit ordentlich Tip gezahlt haben, verabschiedet er sich noch bei uns mit: „Schöne Weihnachten und einen guten Rutsch. Bis April!!“
„Ja, bis April!“ antworten wir lachend und verlassen beschwingt und gut gelaunt dieses herrliche, spätsommerliche Ambiente, das nun in den Winterschlaf sinkt. Schlaf gut, süße Träume und bis bald!
Nochmal Vogerl schauen!
Wieder zurück, über die Straße, vor dem Bistro stehend, das bereits geschlossen hat, überlegen wir mit einem weiteren, dort stehenden jungen Pärchen und rätseln um den Verbleib des Federviehs.
Neugierig trete ich nochmal näher heran und die elektrische, gläserne Schiebetür öffnet sich vor mir. Die Bänke sind bereits umgedreht auf den Holztischen, die Küche ist mit einem Gitter verschlossen.

Wir stutzen. Wir schauen. Der junge Mann meint zögernd ….“Vielleicht eine Secretbar?“ Ich schließe die Augen und hau mir mit einem lauten Klatschen auf die Stirn. Verdammt! Das ist es. Wie konnte der Mensch am Tresen so derart geistlos reagieren? Wie konnte ich es?
Zwei junge Damen stöckeln kurz darauf aufgedackelt an uns vorbei, als wären wir gar nicht da und marschieren an der geschlossenen Küche vorbei. Die Treppen daneben, die ich gar nicht wirklich wahrgenommen habe, hinunter und wenden sich an eine Spiegelwand. Wir zappeln natürlich alle geschlossen hinten nach. Die Spiegelwand hat eine Tür und dahinter….da sind´s, die Vogerl. Alle….
Fortsetzung folgt…
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