Der heutige Abend ist gut durch organisiert. Von mir, versteht sich.

Da es diesmal sicher später wird, kommt Doris mit ihrem Auto zu mir und wird hier auch übernachten. Sie parkt hinter dem Haus und gemeinsam fahren wir mit den Öffis in die Stadt.

Wir lassen uns von der U4 zum Schwedenplatz bringen und von dort sind es zu Fuß nur ein paar Minuten in die Köllnerhofgasse 3, ins Restaurant Achilleus.

Ich öffne die Türe und ab dieser Sekunde befinde ich mich wieder in meinem geliebten Griechenland. Es ist der olfaktorische und akustische Eindruck, bei dem ich nur mit Mühe ein lautes und fröhliches „Kalimera!“ unterdrücken kann. (Obwohl es sicher nicht schlecht angekommen wäre.) Auch Doris zieht hinter mir die bereits auch ihr bekannten Gerüche durch die Nase und grinst.

Freundlich wird uns der reservierte Tisch von einer jungen griechischen Schönheit gezeigt und kurze Zeit später haben wir bereits die Speisekarten in den Händen.

Als Getränke, das ist klar und muss gar nicht lange besprochen werden, müssen zwei Mythos her.

Doris trinkt wie ich gerne Bier und das griechische ist nun mal einzigartig. Natürlich schmeckt es an einem heißen Abend in einer griechischen Taverne etwas anders, als hier im ersten Bezirk. Doch trotz örtlicher Unstimmigkeit zaubert uns das Hopfengetränk, nachdem wir uns mit einem wissenden „Yamas!“ zugeprostet haben ein seliges Lächeln ins Gesicht.

Der Besitzer, wohl ein echter Grieche, denn seine herrliche Herkunft ist durch seinen noch schöneren Akzent deutlich zu hören, nimmt unsere Bestellung auf.

Ich bestelle mir ein Spanakotyropita, Doris nimmt sich ein Bifteki gemisto. „Nai“ (klingt wie „Ne“) sagt der Grieche mit weißem Haar lächelnd und marschiert flott in die Küche um bereits beim Betreten unsere Bestellung laut in dieser mir wohl für immer unverständlichen Sprache kund zu tun. Ich grins. Ich bin entspannt und fühl mich hier wohl. Doris grinst zurück, sie wohl auch.

Das Restaurant ist spartanisch eingerichtet. Die essenziellen Dinge wie Tische und Sesseln sind reichlich vorhanden und diese sind sogar bereits fast vollständig besetzt.

An den weißen Wänden hängen die typischen griechischen, gemalten Szenen. Häfen mit kleinen Fischerbooten; Ausgrabungen, an dessen uralten Säulen sich bereits wieder die Natur mit diversen schlängelndem Grünzeug zu schaffen macht; blau-weiße kleine Gebäude in der gleißenden Sonne und dahinter das glitzernde Meer.

Dazu klingt aus kleinen, hängenden Lautsprechern, die überall im Lokal verteilt sind, typisch griechische Musik. Jetzt gerade „Vradiazei“ von Stelios Kazantzidis. (streamen!! Um Himmels Willen – tut es endlich!!) Kurz bekomm ich feuchte Augen, das Fernweh ist gerade unermesslich. Doch dann tröste ich mich schnell, nichts und niemand hindert mich an einem erneuten Besuch dieses wunderbaren Landes.

„Me synchoreite parakalo“

Die Küchentüre fliegt auf und der Grieche kommt mit zwei großen Tellern beladen im Eilschritt zu uns Gästen heraus. In der Hitze des Gefechtes rutscht ihm allerdings ein Stück des köstlichen Pitabrotes von einem der Teller, das sich zum Leidwesen eines jungen, weiblichen Gastes an unserem Nebentisch genau zwischen ihr und ihrer Jacke, die sie hinter sich auf der Sessellehne hängen hat, fallen lässt.

Was ist das auf einmal für ein Aufhebens! Das ältere Pärchen, ebenfalls an diesem Tisch, springt auf, als würde die junge Frau bereits lodernd in Flammen stehen.

Der Grieche kommt zurück und wird lautstark über sein Missgeschick informiert. Er entschuldigt sich und nimmt das nun verhasste Stück Pitabrot demütig entgegen. Die Jacke hat ein paar Flecken, vom leckeren Tsatsiki (Er ist göttlich, wie ich dann gleich feststellen werde, der Tsatsiki). Als das bemerkt wird, bekommt die ältere Dame fast einen Kollaps. Der Grieche entschuldigt sich betroffen.

Die Sache am Nebentisch ist noch nicht ausgestanden. Es wird wild und grimmig an der Jacke herum geputzt und gewischt. Der Grieche entschuldigt sich erneut, dann geht er. Ein paar Minuten später bekommen alle zur Kalmierung noch einen Grießkuchen, den die ältere Dame ansieht, als würden Maden darin herum wuseln.

Ich habe genug gesehen und schaue weg. „Den Tha Xanagapiso“ von eben diesem Stelios übertönt Gott sei Dank das wohl nie mehr enden wollende Beschweren des Gastes neben uns.

Jetzt geht´s los!

Die Küchentür fliegt wieder auf und diesmal sind es unsere Speisen, die der weißhaarige Grieche uns beschwingt serviert. Ich danke ihm freundlich mit einem „Efkaristo“ und er grinst mich an.

Wie zu erwarten sind unsere Gerichte äußerst köstlich und wir lassen das noch immer ungebremste Nörgeln vom Nebentisch an uns abprallen.

Natürlich ist zwischen Doris und mir wieder viel zu berichten und zu erzählen. Und während wir uns die griechischen Köstlichkeiten auf den Zungen zergehen lassen und mit dem herrlichen Bier nachspülen, werden diverse Probleme und beschäftigende Gedanken alleine durchs Be- und Aussprechen wieder aus unseren Leben entfernt. Dazu hören wir „Anemos Eisai“ von Glykeria, Michalis Terzis.

Weiter geht`s!

Schnell sind unsere Speisen einverleibt und auch die Biergläser vor uns sind wieder leer. Wir zahlen und nehmen ein bisschen wehmütig Abschied von unserem kurzen Abstecher ins Land der dreitausendvierundfünfzig Inseln. Unser Abgang wird von einem beschwingtem „Oi Thalasinoi“ von Thanasis Vasilakis untermalt.

Wahrheit — UND (????) —–Tat?

Unser nächstes Ziel befindet sich in der Schönlaterngasse und nachdem wir ein bisschen aufgeschmissen herum geirrt sind, da eine Verbindung dorthin im Winter verschlossen ist, biegen wir jedoch nach kurzer Zeit erfolgreich in ein enges Gässchen ein, in dem sich bereits einige Leute befinden.

Der Eingang der Bar unserer Begierde ist ein wenig unscheinbar, eine Tafel hängt daneben. Na, dann rein mit uns!

Die Gäste, hier draußen rauchen fast alle und somit ist fast klar, dass auch sie alle wieder in die Bar zurück kommen würden.

Ich mache die Tür auf und ….. „Music In The Air“ von Clubholic, Nytron schlägt uns entgegen. Sofort tauchen wir in die neue Atmosphäre ein. Gerade noch im Lande der heißen, griechischen Sonne, jetzt in einer äußerst düsteren Bar mit Clubmusik. Nur vereinzelte Lichtquellen helfen hier zur Orientierung. Ich mag es schummrig, das tut meinem Teint gut….

Wir müssen ein bisschen warten, bis sich ein bärtiger Mann erbarmt und uns nach einer Reservierung und unserem Namen fragt. Eines können wir ihm bestätigen und das andere nennen und rasch wird uns ein Tischchen an einem Fenster zu der kleinen Gasse zugewiesen.

Eigentlich zeigt die Sitzbank in Richtung der Bar, der Tisch ist allerdings so angebracht, dass man dem Gegenüber ins Gesicht schauen sollte. Eine verdrehte Geschichte. Mir fast egal, ich trage eine Stoffhose und somit bin ich flexibel. Doris trägt einen Minirock, sie hat hier so ihre Entspannungsprobleme.

Zu „Soul Searcher“ (Extended Mix) von WhO & Kideko wird uns eine Getränkekarte in die Hände gedrückt. Es ist allerdings so dunkel, dass wir ohne Handytaschenlampe kaum etwas erkennen können.

Direkt neben uns ist die Bar. Dahinter arbeiten zwei junge Mädchen, Barkeeperinnen. Eine blond, die andere dunkelhaarig. Beide wirken, als hätten sie ihren Traumjob gefunden. Die Motivation, der Einsatz und die Freundlichkeit der beiden ist überwältigend und man schaut den beiden jungen, weiblichen Menschen gerne zu.

Der bärtige Mann (er ist zirka um die vierzig) ist wohl der Chef. Schnell ist hier die Hierarchie durchschaut.

Zu „Back To You“ von Murphy`s Law bestellen wir einen Painkiller für mich und einen Gimlet T&D Style für Doris. Dazu bekommen wir zwei Gläser mit kühlem Leitungswasser, dies ist mittlerweile gang und gäbe in fast allen Bars.

Unsere Getränke kommen bald daher. Schmucklos, die Gläser relativ klein. Aber das war uns bereits klar, nachdem wir die Damen mit den Spirituosen bereits eine Weile beobachtet haben.

Zu „Never Left“ von Ricky Razu prosten wir und ladylike zu und nippen vorsichtig an unseren Gläsern. Die Getränke sind gut und sehr stark. Somit erklärt sich die Größe der Cocktailbehälter.

Wir quatschen und lachen miteinander, doch hier versammelt sich wohl die doch sehr eigenwillige, oder besser, interessante Mischung der Gäste der wiener Nachtgastronomie und wir kommen aus dem Schauen gar nicht heraus.

A Vogerl im Anzug?

„Sing It Back“ von Maloko untermalt das Auftreten eines jungen, recht schmächtigen, doch sehr auffälligen Männchens. Es trägt seine dunklen Locken bis zu den Schultern, seine kleinen Augen wirken gehetzt. Die extrem große Hakennase lenkt vom fliehenden Kinn ab. Das ganze Individuum steckt in einem Anzug, der ihm allerdings zu groß zu sein scheint. Kein Wunder dieser Mensch wiegt wohl nass um die fünfundvierzig Kilo.

Er kommt nach einer Rauchpause von draußen wieder herein und bestellt sich noch ein Getränk. Wie es aussieht, kennt man ihn hier.

Die Beute

Vor uns an der Bar sitzen zwei junge Damen die unterschiedlicher nicht sein könnten.

Die eine klein, blond und ebenfalls fast ohne Kinn, die andere groß und dunkel, allerdings mit extrem dunklen Augenringen. Die Kleine hat außerdem ein eigenartiges Gesicht, ihre Nase ist extrem spitz. Zuerst würde ich sie optisch in Richtung einer dürren, unterentwickelten Elfe (siehe auch: Dobby, der Hauself) zwängen, nach kurzer Zeit allerdings revidiere ich meine Einordnung und ich packe sie in die Ecke der Spitzmäuse.

Die Hakennase stellt sich zu den beiden Weibchen und Doris und ich genießen aufmerksam und grinsend die Vorstellung.

Das Männchen beginnt eine Kommunikation, während seine dürren Finger wild durch die Luft fahren und er mich immer mehr an einen startenden Geier erinnert.

Seine Stimme ist mit seinem Aussehen kompatibel. Er krächzt die Mädchen mit hoher Stimme an, doch die scheinen darüber tatsächlich erfreut zu sein. Mausi strahlt ihn hemmungslos an und auch die übernächtige Drogenbraut hebt interessiert die rechte Augenbraue.

Er habe 2018 seinen Bachelor gemacht, informiert Hakennase die Damen mit unangenehm lauter und heller Stimme. Die beiden quietschen erfreut zurück und man bestellt noch weitere Getränke für die Runde.

Doris und ich werfen uns einen Blick zu. Echt jetzt? Direkt vor uns trifft sich, offensichtlich willig, Not und Elend.

Zu „Summer On The Inside“ von warner case, Jean Tonique and Max Kaluza bestellen Doris und ich einen weitern Cocktail.

Ich freue mich auf einen Martinez und Doris auf einen Paper Plane.

Die gut gelaunten Mädchen hinter der Bar beginnen doch tatsächlich mit kleinen Kunststückchen. Sie werfen die Shaker in die Höhe und gießen aus großen Entfernungen die Cocktails in die entsprechenden Gläser.

Zu „You & Me“ von Disclosure, Eliza Doolittle, Rivo werden unsere Drinks serviert.

Sie sind wieder schmucklos, schmecken aber sehr interessant. Dieser wird allerdings sicher nicht mein Lieblingscocktail.

Außerdem fällt mir auf dass auf den anderen Tischchen Knabbereien stehen, auf unserem nicht. Nun, hungrig sind wir nach unserem Griechenlandbesuch ja eigentlich eh nicht.

Spitzmaus und Geier lachen und haben immer öfter intensiven Blickkontakt, während sich die Dunkle gähnend ihrem Getränk widmet.

Die Musikrichtung ändert sich plötzlich und aus den Boxen dröhnt auf einmal ein allseits bekanntes „Let´s Dance“ von David Bowie.

Hinter uns hat sich eine gemischte Gruppe an der Bar eingerichtet und singt laut mit David um die Wette. Die Stimmung wird auf einen Schlag besser und entspannter.

Unsere Wassergläser sind schon lange leer und ich nehme nach einiger Zeit die Sache selbst in die Hand, gehe zur Bar und bitte um die Wasserkaraffe.

Die Blonde hinter der Bar drückt sie mir in die Hand und ich fülle damit unsere Gläser wieder. Selbst ist die Frau, sagt man ja. Ich finde trotzdem, dass man mir das hätte abnehmen sollen, ich bin hier ja schließlich zahlender Gast.

Die Bar ist brechend voll und die Barkeeperinnen kommen aus dem Mixen und Schütteln gar nicht mehr heraus.

Singlegenuss

Eine junge Frau kommt alleine an die Bar, setzt sich gegenüber von einem der mixenden Mädchen und bestellt sich gleich zwei Getränke. Zuerst glauben Doris und ich, sie natürlich beobachtend, dass sie auf jemanden wartet, doch das tut sie nicht. Sie genießt alleine ihre Getränke, während sie leicht im Takt der Musik mit schunkelt.

Zu „Smooth Operator“ von Sade bestellen wir zwei Onlyfans Martini und der Geier krallt sich endgültig das Spitzmäuschen, das ihn währenddessen mit glasigen Augen verträumt ansieht. Die drei verlassen nachdem er bezahlt hat das Lokal.

Böse grinsend meine ich zu Doris, dass ich hoffe, dass daraus heute kein Nachkomme entsteht. Das arme Wesen würde höchstwahrscheinlich vollständig ohne Kinn auskommen müssen. Die Nasenfrage wäre eine Fünfzig-Fünfzig-Chance.

Wir lachen und kudern noch immer, als unsere Getränke kommen und wir zu „Running Up That Hill“ von Kate Bush unsere grinsenden Lippen in den prickelnden Champagner-Cocktail tauchen.

Dieser Cocktail schmeckt mir wieder etwas besser. Mein Favorit für heute Abend ist allerdings mit weitem Vorsprung der Painkiller.

Zu „Now I Don`t Need Your Love“ von Lucky Lover & Gospel, bitten wir um die Rechnung. Und nachdem wir die Bar verlassen und uns ein vorbeifahrendes Taxi geschnappt haben, liegen wir bald im Bett.

Nochmal „Truth and Dare“? Hm, ich weiß nicht. Es war nett, hat mich aber weder positiv hysterisch, noch extrem euphorisch gemacht. Die Getränke waren kein besonderes Highlight und das Servicepersonal war überfordert.

„Gute Nacht“ ertönt es müde neben mir und ich grins. Wie im Urlaub liegt meine Freundin mit halboffenen Augen neben mir (Zum zweiten Mal heute bin ich wieder in Griechenland.), diesmal allerdings nicht unter raschelnden, papierartigen Laken*, sondern unter einer kuschligen und frisch bezogenen Bettdecke. „Gute Nacht, träum schön.“ sag ich zurück und kuschle mich unter meine Decke.

*nachzulesen in „Endlich Zakynthos“


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