Es dröhnt, der Bass ist zu spüren.

Ich tanze inmitten anderer herumspringender, schwitzender Körper. Bunte Lichter lassen uns in ständig ändernden Farben aufleuchten. Über uns hängt eine riesige Discokugel, die Lichter werden von ihr teilweise reflektiert. Die Boxen geben ihr Bestes, das ist in diesem Fall aber nicht mehr genug, sie pfeifen aus dem letzten Loch, sozusagen. Das ist egal, wir tanzen voller Freude springen wie die Verrückten zu dem ohrenbetäubenden, weit übersteuerten Brummen und Rauschen. Jeder und jede hat hier wohl gerade alte, sentimentale Erinnerungen, ich denke, dass sich diese allerdings wohl sehr ähnlich sein werden. Und dann…

Los gehts!

Heute ist es soweit. Ich gehe mit meiner Begleitung und dessen Freunden auf eine Abrissparty. Soll heißen, ein Abschied für immer. Es handelt sich um eine Disco in Judenau namens „Baby’o“. Da ich meine Jugendjahre in dieser Gegend verbracht habe, nimmt das „Baby’o“ einen großen, wichtigen Platz in meiner Vergangenheit, in meiner Erinnerung ein.

Unzählige Nächte habe ich hier getanzt, getrunken, hatte Liebeskummer, oder jemand neuen kennen gelernt. Wurde manchmal, wegen meines Outfits, erst gar nicht hereingelassen. (Damals ging es um die berühmten „Jogging-High“-Turnschuhe, die so manchen Türsteher zum Würgen brachten, wir aber gerne und oft getragen haben. Auch aus Protest.)

Wie oft bin ich neben dem DJ-Pult gestanden, denn hier war ein Künstler meiner damaligen Clique am Werk. Und wie oft hab ich deswegen böse Blicke der schmachtenden Mädels bekommen, die ihr Leben, naja, zumindest ihr Höschen für diesen Platz gegeben hätten.

Wie oft hat mich mein lieber Papa um zwei Uhr früh vom davorliegenden Parkplatz abgeholt. Ich dann illuminiert ins Auto eingestiegen bin, mit einer gewaltigen Fahne und von Knutschflecken übersäht. Wie oft hat er das bemerkt und mich nie zu Rede gestellt. Danke Papa!

Wir sind eine ganze Partie und betreten im Rudel das alte Gebäude. Es sind bereits schon viele Gäste da. Heute fallen die Jüngeren auf, sonst ist das ja meistens umgekehrt. Viele Besucher heute sind in unserem Alter. Sie wollen sich wohl auch verabschieden, haben sicher auch schöne, oder wichtige Erinnerungen vom „O“ (wie die Coolen früher sagten…).

Was erwartet mich?

Ich habe keine Vorstellung was mich hier, auch emotional, erwartet. Ich war seit Jahrzehnten nicht mehr hier. Vieles ist für mich neu. Im Hof steht eine riesige Statue, die gibts schon ewig, werde ich informiert. Ich kenne sie nicht, oder kann mich nicht erinnern. Ok…ist ja wirklich schon länger her, dass ich hier war.

Wir bleiben erst mal in der angrenzenden Pizzeria und gönnen uns das eine oder andere Glaserl Wein. Ich werde den Freunden meiner Begleitung vorgestellt und komme mit den meisten sofort in nette, unkomplizierte Gespräche.

Tatsächlich kommt plötzlich eine Jugendfreundin von mir vorbei. Sie sieht aus wie immer, ich schrei auf und schnapp sie am Arm. Überrascht schaut sie mich an, erkennt mich nicht. Erst als ich mich mit meinem Mädchennamen identifiziere, grinst sie und wir quatschen sofort wie aufgezogen los. Sonst sei ihre Tochter da, meint sie, heute lässt sie es wieder mal krachen. Wir tauschen Nummern aus und weg ist sie.

Der Bass von der Tanzfläche ist bis hierher zu hören und ich wippe a bissl mit. Mag tanzen gehen! Ich raunz. Ja, gleich. Werde ich vertröstet. Die Gläser werden geleert und wir marschieren los. Allerdings in die Oldiebar. Na gut, schauma uns die mal an. Hier hat sich nicht viel verändert.

Vicky und Nicole

Eine kleine Tanzfläche, auf der, jeden Millimeter ausnutzend, die Menge tanzt, springt, schwitzt und schreit. Hier ist es gesteckt voll. Die Musik erinnert mich an mein Erlebnis in den Sofiensälen. Vicky Leandros überzeugt singend von ihrer Liebe zum Leben, die überdrehte Menge grölt mit. Ich auch. Die Stimmung ist grandios. Meine kühlt allerdings wieder etwas ab, als Nicole um den Frieden bittet und der Bass dazu mich überrascht aufschauen lässt.

Und dann… gehen wir endlich in die eigentliche Disco. Und starten gleich direkt auf die Tanzfläche. Ein Mädel unserer Gruppe und ich lassen es tanztechnisch krachen. Wir schauen gut aus, natürlich. Die Boxen rauschen, sind völlig übersteuert.

Es dröhnt, der Bass ist zu spüren….

Auch hier wird gemischt, dass kein Auge trocken bleibt. Es ist zwar nicht Nicole, die hier klangvoll vergewaltigt wird, die Mischung ist aber doch gewöhnungsbedürftig. Wieso nur? Frag ich mich. Es gibt doch aus der guten alten Zeit, die tollsten Tracks, die tanzbarsten Sounds. Wenn ich mich umschaue, waren die meisten heute anwesenden Gäste zur selben Zeit wie ich im Jugendlichenalter. Das heißt, die alten Tracks, der alte Sound würden gut ankommen, wären bekannt, würden Euphorie hervorrufen, davon bin ich überzeugt.

Na gut. Hervorgerufen wird hier nix. Ein bissl lass ich mich noch von den sterbenden Boxen mitreißen, bin dann aber bald fertig und wir gehen zu einer Bar, an der sich bereits weitere Bekannte meiner Begleitung niedergelassen haben.

Wir werden mit freudigem Grölen empfangen und die Getränkeflut beginnt kein Ende zu nehmen. Ich bin mittlerweile vom Wein auf Aperol Spritz umgestiegen, den vertrag ich, der schmeckt mir. Das bleibt allerdings nicht lange so. Ich bekomme, wie auch alle anderen in der Nähe, von einem der Runde ein kleines Glas mit dunkler Flüssigkeit in die Hand gedrückt. Ich schnuppere dran. Scharf, bitter… In die andere Hand bekomm ich ein Glas Wasser.

Ich mach es wie die anderen

„Cheers!!“ Ich schau, was die anderen machen. Das dunkle Gebräu auf ex und das Wasser hinten nach. Ok, und los. Um Himmels Willen, ist des grauslich!! Das Wasser, das Wasser!! Ja, so ists gut. Mich schüttelt es. Alle verziehen das Gesicht und weiter gehts mit Herumhüpfen an der Bar und einer neuen Bestellung für alle…Was war das? Ein Remy. Es gibt wohl nix schlimmeres…

Die Stimmung ist super. Kein Wehmut, Gott sei Dank. Einfach nur Freude, dass wir alle wieder da sind. Wer weiß, vielleicht kennen sich viele von früher, erkennen sich aber nicht mehr. Ich sehe kein grantiges Gesicht, niemand pöbelt, oder ist ungut. Alle strahlen und schauen, überall tanzend, in die alte Lichtanlage und auf die riesige Discokugel, die sicher schon so einiges gespiegelt hat…

So nebenbei die Welt retten

Ich muss auf die Toilette, und wurschtel mich durch die Massen. Endlich komm ich an einer langen Damenschlange an. Sofort bin ich in ein Gespräch verwickelt. Die Damen hier sind lustig, freundlich, obwohl wir alle bereits ein bissl herumzappeln, weils halt bereits bei jeder Zeit für die Entleerung wäre. Wir lachen und singen teilweise mit den Songs von der Tanzfläche mit. Endlich bin ich dran. Alles sauber und brauchbar. Wie nett. Beim Verlassen, hör ich hinter mir ein Mädel schreien, dass hier jemand sein Handy in einer der Kabinen vergessen hätte. Eine andere dreht sich mit erschrockenen Augen um, nimmt ihr das Handy aus der Hand und drückt es zärtlich ans Dekolleté. „Danke“ haucht sie geschockt. Wir können sie alle verstehen…das wäre für jede eine Katastrophe. So, alles gut. Eine kleine Welt wurde gerettet. Zurück zur Bar.

Scheiß drauf!

Ein frischer Aperol wartet bereits auf mich. Gegen den Durst, der, obwohl ich gar nicht so viel getanzt hab, doch ordentlich ist. Eine Blonde neben mir trinkt etwas Gelbes, ich deute was das denn sei. Sie hält mir das Getränk hin, zum Kosten. Ich koste. Gut. Danke…..scheiß auf Corona….auf Fieberblasen….auf alles.

Neben mir zündet sich eine dunkle Schönheit von unserer Gruppe eine Zigarette an. Sowas hab ich schon lang nicht mehr gesehen. Im Lokal zu rauchen ist bereits seit doch einigen Jährchen nicht mehr erwünscht. Aber heute ist eben alles anders. So wie früher, fast. Ich grins sie an. Sie grinst zurück.

Und weiter gehts…

Die nächste Runde Remy. Mir drückt es bereits beim Überreichen ein Auge zu und ich schau erfreut auf mein Wasserglas. Und auf ex…waaaa… man gewöhnt sich nicht dran. Das Wasser ist super. Oh, ein neuer Aperol ist auch schon da.

Meinen Vorsatz, zwischen den alkoholischen Getränken auch mal etwas Antialkoholisches zu trinken, hab ich für heute ein bisschen ad acta gelegt. Außerdem hätte mich selbst brüllend niemand mehr gehört. Die Boxen sterben, fix. Denk ich mir. Egal, ab morgen ist das eh alles Geschichte.

Die Dunkle raucht mittlerweile die fünfte Zigarette Kette, grinst mich an und hält sie mir hin. Na gut, dann zieh ich mal an. Hab früher soooo gerne geraucht. Sie schmeckt gut, die Zigarette, wie die Dunkle schmeckt weiß ich nicht. Ich grins, sie auch, wir sind jetzt Schwestern…

Der nächste Remy. Ok, ich weiß ja jetzt wie es geht. Ich kann diesmal sogar den coolen Ausdruck auf meinem Gesicht wahren. Das Wasser danach ist lauwarm und ölig….Ich schau überrascht. So, aha, das Wasser ist wohl aus. Es gibt zum Löschen nur mehr Berliner Luft.

Trinkt wer mit?

Ich will mit meinem Aperol nachspülen, der ist aber bereits wieder leer. Trinkt da wer mit? Sofort wird mein Begleiter aktiv und bestellt für mich.

Wir tanzen direkt neben der Bar. Auf einer anderen hinter uns tanzen zwei Barkeeper.

Die Stimmung ist ausgelassen, man macht was man will, natürlich mit Grenzen. Heute ist fast alles erlaubt. Die Dunkle hält mir die nächste Zigarette hin, danke…Sweety.

Das wars…

Es ist bereits halb drei. Und dann haben wir doch alle bald genug. Genug vom Remy und von den fast nur mehr rauschenden Boxen.

Ein Taxi wird bestellt und das wars dann mit dem Baby’o.

Vielleicht war bei uns allen doch mehr Wehmut dabei, als wir uns eingestehen wollten. Ich habe doch einige alte Verhaltensmuster erkannt, die heute so nicht mehr gelebt werden, erwünscht, oder erlaubt sind.

Leute!! Wir tragen unsere Erinnerungen in unseren Herzen, kein Gebäude ist dazu in der Lage!

In diesem Sinne…stay young!!!!

Zu späte musikalische Vorschläge:

Around the world (A touch of class)

Sweet Dreams, Be my lover (La Bouche)

It’s my life (Dr. Alban)

Scatman (Scatman John)

What is love (Haddaway)

Baby, Baby The rhythm of the night (Corona)

Love is all around (Dj Bobo)

U got 2 let the music (Cappella)

The Key, the secret (Urban Cookie Cellective)

The Power (Snap)

Sweet Dreams (Eurithmics)

Magic Fields (X-Perience)

Ecuador (Sash!)

und und und und und ……


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