Der Name ist in Anlehnung an den gleichnamigen Film von Werner Herzog entstanden, in dem sich die Hauptfigur Fitzcarraldo, gespielt von der Schauspiellegende Klaus Kinski, zwischen Realität, Utopie und Vision bewegt. (Falstaff)

Heute Abend besuche ich mit meiner Freundin Anna eine neu eröffnete Bar im siebenten Wiener Gemeindebezirk in der Neubaugasse. Ein Konzept von Tausendsassa Hendrik Genotte alias Hank Ge und Barkoriphäe Sammy Walfisch. Ich hab ein wunderschönes, dunkelrotes, hautenges Kleid und natürlich die dazu passenden Schuhe an. Bin auf alles vorbereitet und voller Vorfreude.

Es handelt sich bei unserem heutigen Ziel um eine Secretbar, oder Speakeasybar.

Zur Info

  • Als Speakeasy (auch als Flüsterkneipe, Flüsterstube oder Mondscheinkneipe übersetzt) wurden während der Alkoholprohibition in den USA von 1920 bis 1933 illegale Kneipen oder Clubs bezeichnet, in denen insbesondere hochprozentige Getränke, aber auch Bier ausgeschenkt wurde.

Heutzutage sprießen diese Speakeasybars in Wien wie die Schwammerl aus dem Boden. Es wird hier hauptsächlich auf geheime Eingänge und Codewörter Wert gelegt, das macht die Sache sehr interessant und mysteriös.

Es ist nicht mein erstes Mal

Da ich bereits in einer anderen Speakeasybar war und das Vorgehen kenne. Versuche ich über Internet den Eingangscode zu erfahren…. denn die Türe ist diesmal ein unechter Getränkeautomat, der, wenn man die richtigen Knöpfe drückt, zur Seite gleitet und den Eingang in die Bar freigibt. Ich bekomm ihn nicht raus. Kein Besucher des Fitzcarraldo gibt den Geheimcode bekannt. Ich habe allerdings problemlos für uns reservieren können, und so fühle ich mich zumindest ein bisschen auf der sicheren, und willkommenen, Seite.

Anna holt mich mit dem Auto ab und wir parken bald in der Burggasse. Dann ist es noch ein Stückerl zu Fuß. Ok, denk ich mir. Kein Problem. Doch es zieht sich und ich habe nicht wirklich Schuhwerk für die Kilometerwanderug an. Langsam spüre ich, wie sich Hautteile von meinen Fersen lösen und sich mit Wasser füllen. Schönheit muss leiden, sag ich mir. Um diese Dinge, kümmere ich mich morgen, und stöckle ladylike die Straße weiter entlang.

Wo ist das Geheimnis?

Doch dann sind wir endlich da und stehen vor einer kurzen Menschenschlange vor einer offenen Tür mit Kellner. Der checkt, mit Klemmbrett in der Hand, wer hinein darf und wer nicht.

Laufkundschaft ohne Reservierung wird freundlich aber eindeutig kein Einlass gewährt. Entspannt sehe ich unserer Kommunikation entgegen. Wir stellen uns an und werden bald höflich in die Bar weitergebeten.

Kein Code, kein geheimes Motto.

Ohne Parole, Motto, oder eben Code werden wir von einem anderen Kellner weiter zu unserem Tisch geführt. Gut so, denn hier drinnen ist es so gut wie stockdunkel. Ich kann im Dunklen eine wunderschöne Bar in Art-Deco-Flair erkennen.

(dieses Foto ist aus dem Internet, so hell wars net.)

Anna lacht laut, da hätten wir uns ja gar net so schön machen müssen. Stimmt! Über jedem der kleinen Tische, die ich erkennen kann, glüht ein kleines mattes Lamperl. Die Sitzgelegenheiten bestehen aus kuschligem, dunkelblauen Samt und sind sehr gemütlich. Ich setze mich auf die couchähnliche Bank und mein Kleid rutscht in gewagte Höhen. Niemand siehts, es ist stockfinster. Schad, eigentlich. Im Hintergrund ist angenehme Lounge-Jazz-Trance-Musik zu hören.

(dieses Foto ist aus dem Internet, so hell wars net.)

Die Karte muss studiert werden

Ein Herr des überaus freundlichen und engagierten Servicepersonals taucht aus dem Dunkel auf, stellt uns eine Flasche Gin mit zwei Gläsern auf den Tisch (die wir wortlos und überrascht betrachten), drückt uns jeden eine Getränkekarte in die Hand und beginnt uns diese ausführlich zu erklären.

Abgesehen vom Inhalt werden die Geschmacksrichtung und der spürbare Alkoholgehalt angegeben. Ich bin völlig überfordert und kann mich nicht entscheiden, blicke im düsteren Licht auf meine Freundin, die ebenfalls unentschlossen auf das Karterl schaut.

Der Gin ist Wasser und ich schenk uns erstmal was ein. Wir fotografieren dies und jenes. Im Dunkel gar net so einfach, mit Blitz nimmt es dem Verwegenen die Wirkung. Natürlich müssen wir auch mit der schönen Flasche rumblödeln. Wir lachen laut und sind völlig überdreht! Herrlich!

Am Nebentisch sitzen zwei junge Mädels, hier wird bereits serviert und neugierig schauen wir alle auf einen Cocktail über dem einen Schaumwolke hängt. Den Schaum, der nach Kokos schmeckt, sollte man wenn möglich einsaugen, wird das Mäderl vom Kellner instruiert. Ihr Gegenüber zückt die Handykamera und meint laut „Saug!“. Das löst bei der anderen einen Lachanfall aus und der Schaum ist dadurch überall, nur nicht im Mund der laut lachenden Besitzerin.

Die Stimmung steigt

„Das will ich auch!“ schreit Anna völlig hysterisch. Und dies löst wiederum ein lautes Lachen auf unserem, wie auch am Nebentisch aus. Wir können uns kaum mehr beruhigen. Meine Güte, denk ich mir, meine Lachtränen wegwischend, wir sind ja noch stocknüchtern!

Sie bestellt also den Schaumcocktail, den Tropic Daiquiri, und ich einen Ay Sencha mit einer Seifenblase. Wir sind beide gespannt und da wir einen guten Blick auf die Bar haben, schauen wir den, doch sehr adretten, Angestellten bei der Zubereitung zu.

Jetzt gehts los!

Ihr Getränk kommt zuerst und ich zücke mein Handy. Ein aufmunterndes „Saug!“ lass ich weg, ich hab ja gesehen, was das auslöst. Trotzdem verteilt sich, nach einem sehr undamenhaften Schnaufen ihrerseits, fast der gesamte Kokos-Schaum auf unserem Tisch und wir beide können uns fast nicht mehr beruhigen. Während sie noch versucht die verbleibenden Reste möglichst lasziv und sexy aufzusaugen, wird mein Cocktail vor mir abgestellt.

Ich filme und fotografiere Anna und dann… platzt vor mir die Seifenblase und schwerer Rauch verteilt sich über unseren Tisch. „Was ist da grad passiert?“ schreit Anna, den Schaum auf der Lippe klebend und schaut mich fragend an. Ich weiß es auch net genau. Mein Cocktail ist explodiert! Ich meine völlig überrascht, dass ich wohl gerade einen Blasensprung hatte und wir beide sind nicht mehr zu bremsen. Unsere Cocktails schmecken herrlich und auch an die Nebentische werden immer wieder neue Kunstwerke geliefert, die bei den Empfängern freudige Ausrufe auslösen.

Wir sitzen gemütlich, plaudern und trinken unsere herrlichen, jetzt optisch unspektakulären Cocktails. Meine Augen haben sich bereits seit einiger Zeit an die Dunkelheit gewöhnt und es blendet, wenn jemand mit dem Handy mit Blitz fotografiert. Immer wieder blitzt es wo auf, kein Wunder die Getränke sind ja wirklich wahre Kunstwerke.

Nochmal die Blase, bitte!

Wie die Cocktails heißen hab ich mir nicht gemerkt. Ich zeig auf mein leeres Glas und ein Kellner nickt mir freundlich zu, nimmt mein Glas mit und meint gleich gehts weiter. Und wirklich, in relativ kurzer Zeit stellt er ein Glas ohne Blase vor mir ab. Ich schau enttäuscht auf und hol schon Luft um zu protestieren. Da hält er eine Räucherpistole auf mein Glas und wie durch Zauberhand bildet sich eine mit Rauch gefüllte Blase. Ein kollektives, befriedigtes : „Aaaahhh…“

Anna und ich schauen gebannt zu. Und dann konzentriere ich mich ausschließlich auf meinen Cocktail und meine Blase. Sie hält. Wir warten und schauen. Sie hält noch immer. Ich filme die ganze Zeit. Sie hält und macht keine Anstalten zu platzen. Wir schauen, ich filme, sie hält.

Und dann…. platzt sie.

Ein kollektives „OOOH!“ und dann ist es vorbei.

Die Mädels am Nebentisch verabschieden sich kurz darauf und gehen. Dann nimmt ein junges Pärchen neben uns Platz. Sie ist ein bissl overdressed, wie ich. Sieht aber eigentlich nett aus, hat ein schwarzes Kleines und hochhackige Schuhe dazu. Er … naja. Die beiden wirken bereits beim Hinsetzten ziemlich unentspannt und verschlossen. Sie bestellt sich ebenfalls den Tropic Daiquiri, er etwas in einer Tasse.

Wir quatschen weiter sind noch immer sehr gut aufgelegt und überdreht, jetzt tut natürlich auch der Alkohol seine zusätzliche Wirkung.

Die Getränke für den Nebentisch kommen. Die beiden schauen sich und die tollen, trinkbaren Kunstwerke nicht mal an. Keiner von beiden rührt seinen Cocktail an. Und nach ein paar Minuten löst sich ihre Schaumwolke ab und fliegt an die Decke. Sie gibt einen kurzen, leisen Laut von sich und ist dann wieder still. Ich meine zu ihr, dass sie da schon schneller sein müsse. Aber sie schaut mich nur an, als ob ich ihr auf Kisuaheli Tipps fürs Leben gegeben hätte.

So wollmas nie wieder!

Anna und ich schauen uns wissend an. Jaaaa! Das kennen wir bereits. Diese wunderbaren Beziehungen, in denen man sich eigentlich nichts Sinnvolles mehr zu sagen hat und schon gar nicht mehr gelacht wird. Diese krampfigen Abende, die man aus, Gott weiß, welchen Gründen über sich ergehen lässt. Diese beiden sind noch jung. Ich hoffe, sie erkennen bald, dass da was net passt.

Wir zwei Weibchen, jetzt doch schon mit 30 plus, kudern und lachen, haben einen Riesenspaß und genießen unser freies, wenn auch nicht unkompliziertes Leben.

Na, und wie lautet er jetzt, der Code?

Ich winke frech einem Kellner und frage ihn nach dem Code. Er weiht mich ein und ist verwundert, dass wir ihn nicht wissen. Tja, die Tür war offen, wir haben nichts dergleichen gebraucht. Sehr gerne würden wir auch noch ein Foto des unscheinbaren Eingangs machen. Vielleicht wenn wir gehen? Selbstverständlich ist er bereit uns hier zu unterstützen und verschwindet wieder magisch im Dunkel.

Und dann ist es wirklich soweit. Wir werden vom Servicepersonal freundlichst darauf hingewiesen, dass wir nun die, wenn wir wollen, letzte Runde bestellen können. Ich habe bei der Reservierung ganz unten gelesen, dass man, wenn man, wie wir, um 19 Uhr reserviert, nur bis 21 Uhr bleiben kann. Reserviert man ab 21 Uhr, kann man bleiben, solange man will, beziehungsweise bis Lokalschluss. Eh klar.

Tja, somit heißts Abschied nehmen und sich fix vorzunehmen wieder zu kommen. Wir zahlen und der Kellner geht mit uns wie ausgemacht zum Ausgang, damit wir noch unsere Fotos machen können. Hier ein wirklich herzliches „Dankeschön! „

Das ist der Eingang.

Das war er mein, beziehungsweise unser, Secretabend. In einer Bar, dessen Neueröffnung nicht ohne Grund große Wellen in Wien geschlagen hat. Hier ist Professionalität spür- und sichtbar. Die Preise sind erträglich (gleich nach den Getränkenamen auf der Karte….ich hab auch a bissl gesucht), die Getränke chemische, physikalische Wunder und herrlich schmeckende Erlebnisse (Experimental Drinks). Die Stimmung fabelhaft, vor allem mit uns.

Man wollte hier eine Art Refugium bieten. Sobald sich die geheime Tür öffnet, legen die Gäste ihre Alltagsmaske ab und tauchen in eine multisensuale, hedonistische Fantasiewelt ein. (Falstaff)

Wieder geb ich mir ein Versprechen. Ich komme wieder! Fix.

Ach ja… und der Code… der ist….


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