„Hast heute schon was vor?“ fragt mich Kathy. Naja, vielleicht eine heiße Badewanne und dann mit einem Buch ins Bett… „Nein, nicht so wirklich.“ gebe ich dann zögerlich zur Antwort.
„Gut, um 18 Uhr Spittelau! Ich hab Lust auf Cocktails!“ ruft sie mir noch durchs Handy zu und weg ist sie. Ok, es ist Samstag Nachmittag, wir sind früh verabredet, haben aber natürlich nichts reserviert. Wir werden die Timeslots der Bars heute ordentlich zu spüren bekommen, wenn wir überhaupt Plätze bekommen.
Mein Outfit: Jean, schwarze Bluse mit schönem Ausschnitt, dazu schwarze Stiefel.
Mein Plan: Ins „The Sign“, eine meiner Lieblingsbars und danach ins neue „The Secret“, alles zu Fuß zu erreichen.
Rechtzeitig springe ich in den 35A und bin überpünktlich in Spittelau. Kathy wartet bereits an der Haltestelle auf mich und wie kleine Mädchen springen wir uns in die Arme und schreien uns dabei gegenseitig bereits unsere ersten Cocktailbestellungen in die Ohren.
Die Leute schauen, es ist uns egal.
Zum „The Sign“ ist es nicht weit. Ein Stückerl die Liechtensteinstraße entlang und bereits nach ein paar Minuten – „Wir sind schon da???“ schreit Kathy – betreten wir die noch leere Bar.

Gerade wird die Beleuchtung aufgedreht und ein bissl verloren stehen wir am Empfangspult. Öffnungszeit 18.00 – 02.00 Uhr.
Timeslot … (wie erwartet)
Ein junges Mäderl empfängt uns und ich bitte sie uns trotz Nichtreservierung einen Tisch für zwei zu geben. „Bis 20 Uhr wäre es möglich, möchten Sie das?“ Zwei Stunden….natürlich!
Dankbar setzen wir uns gleich ganz vorne beim Schaufenster, das allerdings von dunklen Raumteilern voller leerer Spirituosenflaschen verdeckt ist, in ein Eckerl.
Das Personal wuselt noch herum, diverse Geräte werden hochgefahren. Dann hört man Musik „We Can`t Hide“ von Internetsteph und kurz darauf kommt auch schon ein junger Mann mit den Getränkekarten.
Es handelt sich hier wieder um kleine Büchlein, die einen doch ein bisschen überfordern und für uns, erst nachdem wir unsere Lesebrillen aufgesetzt haben, Sinn ergeben.
Da ich bereits mehrmals dieses einladende, trendige Lokal mit wirklich kreativen Cocktails besucht habe, gibt es für mich zumindest für den Start nur einen wirklich wahrhaften, göttlichen und anbetungswürdigen Cocktail. Den „Frozen-Mango-Coconut-Daiquiri“. Ich bestelle ihn mir beim nächsten Vorbeihuschen des Buben und Kathy nimmt ihn erstmal auch.
Langsam füllt sich die Bar, die Musik wird lauter („Blazing“ – Luis Kuper Remix von Malian) und ein drittes Servicemitglied beginnt motiviert zwischen den Tischen auf und ab zu laufen. Mein Blick fällt schräg auf die Bar, hinter der zwei Barkeeper im Takt mit den Köpfen nicken und dabei ihre legendären Getränke mixen.
Manche Cocktails werden hier mit hausgemachten Sprays bedacht, somit ist die Besonderheit des Getränkes nicht nur im Glas, sondern auch auf dem Glas und natürlich auch in der Nase des Gastes.
Unsere Daiquiris kommen und sie sind wie immer eine Augenweide! Da schauts!

Die Metallbecher sind angelaufen und eiskalt, nona …. frozen. Zum Anstoßen nehmen wir sie in die Hände, dann lassen wir sie stehen und saugen so an den Halmen.
Kathy reißt die Augen auf. Ja, jaja……jaaaaaa! Ich weiß, der ist …. ja, issa!
Wir quatschen, über Gott und die Welt. Reden uns diverse, wohl des Lebens unwürdige Sorgen und Gedanken von den Seelen, beobachten die Gäste rund um uns und genießen den eiskalten Mangotraum in unseren Mündern.
Ein sehr junges Pärchen setzt sich direkt an die Bar und unterhält sich eindringlich. Sie trägt einen grauen, schulterfreien Pullover, der doch bereits sehr weit nach unten gerutscht ist. Sie sitzt mit dem Rücken zu uns, ihre Arme sind fast bis zu den Ellenbögen nackt und ich kann an den Augen ihres Gegenübers erkennen, wie er kämpft, sie brav und ordnungsgemäß in ihren verlieren zu lassen und er den bereits immer größer werdenden Ausschnitt mühsam ignoriert. Irgendwann zieht sie das wärmende, gestrickte Oberteil wieder nach oben und er entspannt sich zusehends.
Nochwas! Nochwas!
Unsere eisigen Mangogetränke sind teilweise mit Hirnfrost einverleibt und wir gustieren wieder in der Karte. Ich bestelle mir einen Ramos-Irgendwas und Kathy nimmt sich einen Cocktail mit Eiweiß, was uns natürlich zu zweideutigen Witzchen und Lachsalven hinreißen lässt.
Die anderen schauen, es ist uns egal.
Unsere Getränke kommen rasch, obwohl bereits fast jeder Tisch besetzt ist, das Servicepersonal den allabendlichen Dauerlauf begonnen hat und die Barkeeper aus dem Schütteln nicht mehr heraus kommen.
Mein Ramos bekommt, nachdem er vor mit abgestellt wurde vom Kellner noch ein paar Hübe eines kleinen Pumpsprays verpasst. Er verbeugt sich ein kleines bisschen, der Kellner, und wünscht uns „Cheers, die Damen“. Kathy schaut verwundert auf den Spray, auf den Buben und dann auf mich. Ok, ist klar, wir müssen öfter weg gehen.
Diese Spray-Prozedur habe ich hier bereits bei anderen von mir bestellten Getränken beobachten können. Sie macht wirklich etwas aus! Auch diesmal steigt mir ein würziger Duft in die Nase und mein gemüsegrüner Drink lacht mich dazu passend an.

Unsere Getränke schmecken toll, würzig meiner, schaumig und mild Kathys. Wieder wird zwischen uns gefachsimpelt und uns gegenseitig die Welt erklärt.
Die Gläser sind bald wieder leer und da wir bis 20 Uhr noch 25 Minuten Zeit haben bestellen wir beide jeweils einen weiteren Cocktail mit Aperolperlen.
Feuerwerk im Mund!
Man gönnt sich ja sonst nix! Und bald stehen unsere frischen Safterln vor uns. Die Gläser sind hoch und die Strohhalme darin überraschend breit. Nachdem wir die erste Perle in unserem Getränk hoch gezogen haben, sie passt gerade so durch diesen überdimensionalen Halm und sie uns im Mund zerplatzt, ist alles klar.
„Oh…“ sag ich – „Ui….“ sagt Kathy. Die Cocktails, wie auch immer sie heißen (sorry, ich weiß es nicht mehr) sind nicht so ein Highlight wie die anderen, die Perlen allerdings sind der Wahnsinn!

Während uns diese kleinen, runden Wunder eines nach dem anderen im Mund zerplatzen hören wir „Awakening“ von Ceaus, Andy´s Echo.
Gierig saugen wir Perle um Perle und somit natürlich auch den Rest des Getränkes in uns hinein.
Zwanzig Uhr!
Es ist Zeit die Location zu wechseln, wie zahlen und ich erzähle Kathy von einer ganz neuen Bar gleich in der Nähe. „Die schauma uns an!“ ruft sie enthusiastisch und lachend weise ich ihr den zwei minütigen Weg zu unseren nächsten Safterln.
Plötzlich in den 90ern
Wir betreten das „The Secret“ in den Stadtbahnbögen. Vorerst ein „Addicted To Rock“ (Oh, wie gern war ich hier etwas essen und trinken….. tja, die Zeiten ändern sich).

„Rhythm Is A Dancer!“ von Snap brummt uns nachdem wir die Tür geöffnet haben laut entgegen, ich schau erstaunt. Kathy auch. „Ooohhhh….its a passion….“
Mein aktuelles „Wir haben nicht reserviert, aber…..“ wird von einem jungen, blonden Mädchen freundlich mittels Handwedeln unterbrochen. Sofort bekommen wir einen kleinen Tisch gleich bei der Bar, die Karte wird uns in die Hand gedrückt und wir sind alle per „Du“. Mag ich!
Zu „Move On Baby!“ von Capella bestellen wir uns zwei Pina Colada. „Machma gern für euch!“ sagt die blonde Maus und rennt zur Bar.
Über uns eine geschlossene Gesellschaft. Ich kann von meinem Platz aus eine „30“ aus Heliumballons erkennen. Die Musik überrascht mich immer mehr, sie erfreut mich aber auch und erinnert an (bessere—-nein!!) andere Zeiten.
Zu „Get a Way“ von Maxx bekommen wir riesige Gläser mit mindestens eintausend Kalorien (pro Glas) und traumhaften Ananas-Kokos-Geschmack serviert.

Wir saugen gierig an den Halmen und Kathy reißt wieder die Augen auf. Ja, die Getränke sind auch wirklich ausgesprochen gut. (pro Cocktail unglaubliche € 9,80!!)
Themenparty!!
„Steam“ East 17 dröhnt aus den Boxen als vom Obergeschoß ein paar junge Leute kommen. Manche von ihnen tragen bunte Trainingsanzüge, andere über die Jeans Legwarmers an den Waden und große knallbunte Plastikohringe in den Ohren. Ich kann gar nicht weg schauen! Meine Zeit! Was machts ihr Kinder da?
„Sweet Dreams“ von La Bouche ertönt, als wir uns einen Tequila Sunrise und einen Swimmingpool bestellen.

Ich komm mir vor, als hätte ich einen Zeitsprung gemacht. Ein bissl betäubt mach ich mich auf den Weg zur Toilette.
Hinter mir ist eine Schiebetüre, und da ich weiß, dass sich dahinter das WC befinden muss, ziehe ich diese Türe zu Seite.
Disco-Disco / Party-Party!
Dahinter verbirgt sich jetzt eine kleine Disco. Die bunten Lichter tanzen über den Floor und über das DJ-Pult und die Musik ändert sich prompt auf Rapp. Tja, nun, ich muss da durch. Gut nur, dass keine Menschenseele hier ist. Langsam bewege ich mich durch die lebhafte, bunte Illumination und höre aus dem Nebenraum das Jahr 1994. Was um Himmels Willen hab ich schon alles getrunken??
Doch mein Körper macht brav alles mit was ich ihm befehle und ich marschiere schnurstracks zum WC. Das ist noch immer dort, wo es immer war und zielsicher erledige ich dort was zu tun ist. Gradlinig komme ich, wieder völlig einsam und verlassen, zur Schiebetür und öffne wieder das Tor zu meiner Jugend.
„Right Beside You“ von Sophie B. Hawkins schlägt mir entgegen und lächelnd setzte ich mich wieder auf meinen Platz. Ja, da gehöre ich auf jeden Fall eher her.
Kathy hat meinen Swimmingpool probiert. „Den will ich auch!!“ schreit sie. Ein großes Glas voll blauem, flüssigen Schlagobers. Ich grins, ja, kann ich mir vorstellen.
Zu „Baby Baby“ von Corona bestellt Kathy noch einen Swimmingpool, ich passe, für heute hab ich genug. Dafür bekommen wir noch knallrote, erdbeerige Shots! Die Stimmung ist sehr gut, die Musik …. nun…. irre, super….wie früher. Es ist nur ein zweiter Tisch gesetzt, sonst gibt`s aber auch keine Sitzgelegenheiten mit Tisch, außer in der „Disco“ oder direkt an der Bar.
Das junge Mädchen genießt förmlich die Töne aus meiner Jugend, sie tanzt hinter der Bar auf und ab. Das ist sehr schön zu sehen, tja, diese Zeit war für mich grandios, aufregend, sexy und außergewöhnlich. (Wie wohl hoffentlich jede Jugend….)
Zurück zur Unschuld!
Wir genießen zu „Return To Innocence“ von Enigma unseren Cocktail und die Shots. Kathy grinst mich glücklich an und ich grins genauso zurück. Wir brauchen keine Worte mehr. Für heute ist alles gesagt.
Zu „All I Wanna Do“ von Sheryl Crow zahlen wir und verlassen diese außergewöhnliche Bar. Die junge Bedienung, diese uns wieder (sehr, extrem) verjüngende Musik….. verwirrend, beglückend, bestätigend.
Kurz darauf sind wir auf dem Weg zur U4. Es sind nur ein paar Meter. In meinem Kopf höre ich auf Dauerschleife Sheryl mit „All I Wanna Do…“
Kathy hat einen Linksdrall und ich versuche sie schön gerade zur U-Bahn zu bringen. Das schaffe ich auch, wir verabschieden uns mit vielen Küsschen: „Komm gut heim, pass schön auf. Hörst du?!“ – „Jaja! Hihi…“ Dann marschiere ich zurück zu meinem 35A, der tatsächlich auf mich wartet.
Was für ein Abend!
All I wanna do is have some fun, I got a feeling I`m not the only one. All I wanna do is have some fun. Until the sun comes up over Santa Monica Boulevard….
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