Seit Jahren, nein, seit Jahrzehnten überlege ich mir meine Tätowierung an der linken Wade zu verschönern. Es ist jetzt halt doch schon ein bisschen her, dass ich mich hierfür unter eine Nadel gelegt habe und die Konturen des damals einheitlich schwarzen Ornamentes sind mittlerweile verwischt und in der Haut zerronnen und durchlöchert.

Wer mich kennt, weiß, meine Lieblingsfarbe ist Hellblau.

Ein glitzernder Edelstein in genau dieser Farbe in die Mitte meines veralteten Hautschmuckes, taucht immer wieder in meiner Vorstellung auf. Ich google und kommuniziere mit meiner Umwelt. Keiner hat so etwas, oder kennt jemanden, der so ein Kunstwerk unter die oberste Hautschicht zaubern kann.

Lange Zeit finde ich mich mit meinem veralteten Wadendekor ab, sehe ihn kaum noch. Nur kurz, wenn ich schöne, frische Tattoos an anderen Individuen sehe, erinnere ich mich noch an meinen blaugrauen, unscheinbaren Stempel.

Wie es der Zufall will….

In letzter Zeit habe ich einige schicksalshafte Begegnungen, deswegen wirft es mich nicht vollends aus der Bahn, als eines schönen Arbeitstages ein großer, haariger, tätowierter, männlicher Mensch zu mir ins Geschäft kommt und ein Ketterl erwerben will. Wir kommen ins Gespräch und im Zuge dessen, erfahre ich, dass er Tätowierer in Klosterneuburg ist.

Ich erwähne meinen Wunsch und er nickt wissend. Ja, meint er entspannt, das kann er machen und ich schau ungläubig.

Eine Woche später hab ich in seinem Studio die erste Besprechung.

Was? Hier?

Wie immer komme ich ein wenig zu früh daher. Marty, der Tätowierer, ist allerdings schon da. Es handelt sich bei seinem Studio um eine kleine Souterrainwohnung.

Man betritt sie durch die Küche in der ein kleines Radio verzweifelt nach einem brauchbaren Sender suchend, vor sich hin rauscht. Meinen Mantel kann ich auf dem Kleiderständer im Bad/WC aufhängen.

Im kleinen Wohnraum steht ein sehr gut beleuchtetes Massagebett, ein kleiner Schreibtisch, eine Kommode, ein Sekretär, eine Couch und ein Tischchen. Darauf türmen sich Sachbücher und Bilder diverser Tätowierungen. Hier ist alles zu sehen, von wunderschönen Tiermotiven, bis hin zu vollständigen Körperverzierungen.

Bleib cool! Bleib cool!!

An den Wänden hängen gerahmte, relativ kleine, leicht ausgefranste Leinwände mit diversen künstlerischen Ergüssen darauf. Nein, Süße….sag ich mir, das sind keine Leinwände.

Nun, ich hab „Das Schweigen der Lämmer“ gesehen … „.. es soll sich die Haut mit der Lotion einreiben!“ verunsichert blicke ich darauf und weise dann fragend auf die Kunstwerke.

Dies seien unter anderem wohl die Meisterstücke seiner Schüler auf präparierter Schweinshaut.

„Ah, ok.“, erwidere ich so abgeklärt wie möglich und bekomme auch rasch meine Gesichtszüge wieder unter Kontrolle.

Er ist Lehrer und es handelt sich hier um die Kutis des Schweines. Da ich keine Veganerin, oder Vegetarierin (Gott bewahre!!) bin und diese Art der Kunst unterstütze, lächle ich wieder entspannt zurück.

Unaufgefordert erklärt er mir auch gleich die Bedeutung von mindestens zwei Äxten an den Wänden, die wohl seinem Großvater gehört haben.

Außerdem sind noch einige Totenköpfe in unterschiedlichsten Formen, Farben und Größen, sowie Hinweise, also diverse Taferl, von der Vorliebe der berühmten „Harley Davidson“ im Raum zu bewundern.

Ich komm aus dem Schauen gar nicht heraus und spreche ihn auch darauf an. Ja, er war Biker. Hat es wohl geliebt.

Jetzt, man höre und staune, hat er einen neuen Plan. Er möchte mit einem Wohnmobil, als Tattoo Artist, durch die Welt gondeln. Er wird sich dementsprechend einrichten und seine Kunden in ganz Europa vor Ort besuchen.

Ich biete ihm mein diesbezügliches Wissen, nach unzähligen Urlauben mit einem solchen Gefährt freundschaftlich an. Er ist begeistert und notiert sich bereits alle meine in den Raum geworfenen Informationen.

Mittlerweile weiß ich, er ist Ire und ab dieser Erkenntnis sind seine überall auf seiner Haut erkennbaren, grünen Kleeblätter nicht mehr zu übersehen.

Gemeinsam schauen wir uns meine Körperverzierung an. Er bleibt höflich.

Anscheinend ist die Stelle nicht mittig und die Arbeit an sich kein Highlight. Ich kanns nicht ändern.

Ich erkläre ihm meine Verbesserungswünsche und er ist gewillt sie in Angriff zu nehmen. „Einen so kleinen Diamanten hab ich aber noch nie gestochen…“ meint er. Ich nehme das zur Kenntnis und bleibe optimistisch. „Außerdem“, meint er ,“muss das ganze Ornament neu und sauber gestochen werden, dann wirst eine Freude haben.“ Ich nicke.

Na, dann.

Nächste Woche geht`s los.

Ich bin gespannt.


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