Am nächsten Morgen ist der Himmel grau in grau. Wir machen uns frisch und gehen runter zum Frühstücksbuffet. Auch hier wieder ein herbes Erwachen. Wieder bin ich noch vom Daedalus Hotel geprägt.
Der Hunger ist der beste Koch!
Es gibt ein paar Weckerl, wenn man Glück hat noch ein paar Räder Salami, ansonsten muss man sich mit Krakauer zufrieden geben. Ein paar halb vertrocknete Käsescheiben warten auch auf den Verzehr. Dazu, a bissl Gemüse. Paprika, Paradeiser, Gurken. Gekochte Eier (von denen gibt es sehr viele, warum weiß ich nicht), ich nehme mir keines.
Und doch tatsächlich Bohneneintopf, auf den meine neue, alte, große Liebe (das Buch, ich denke darüber nach, wirklich!) freudig hin startet und dann enttäuscht den Warmhaltebehälter wieder schließt. Der Eintopf ist bereits völlig eingetrocknet und sieht nicht wirklich appetitlich aus. Es gibt Butter und Marmelade. Gott sei Dank gibt es auch Kaffee. Die Milch dazu ist wohl ein Glücksspiel. Ich hab noch eine ergattert, der Herr hinter mir geht leer aus.
Für satte fünfhundert Euro für drei Nächte mit Frühstück haben ich mir fix was anderes erwartet. Tja, wir können es jetzt nicht ändern und essen, was uns am unverfänglichsten vorkommt. Ich verspreche mir, dass, falls ich jemals wieder auf ein Event am Salzburgring kommen werde, ich hier sicher nicht mehr residieren möchte.
Wir schauen uns das mal an
Nach unserer „Atzung“ gehen wir in unser Zimmer und ziehen uns festere Kleidung an. Wir wollen zum Festivalgelände. Es uns mal anschauen und uns die Armbänder eintauschen. Ich hab die Tickets eingepackt und über meinem T-Shirt einen Pullover und eine Regenjacke an. Ich bin also vorbereitet. Im Moment ist es draußen trocken, die Wolken lassen mich allerdings vorsichtig bleiben.
Wir wollen mit einem Shuttlebus zum Salzburgring fahren. Der Bus fährt vom Hauptbahnhof weg. Dort müssma erstmal hin. Mit dem Handy kein Problem. Wir verlassen das Hotel und wandern los. Zwischen Wohnhausanlangen, kleinen Gässchen hindurch und großen Straßen entlang. Ich geh ja gern, hab da kein Problem, finde die Bewegung sogar angenehm und meine wetterfeste Ausrüstung stimmt mich zuversichtlich, da in der Ferne bereits wieder dunkle Wolken zu sehen sind.
Einsteigen! Einfach einsteigen!
Und dann…sind wir da. Der Bus ist hilfreich mit „Electric Love Festival“ beschriftet. Wir starten hin und ich frag…naja, ich bin halt wirklich eine Wienerin… ob man eine Maske tragen soll. Der Chauffeur schaut mich an, als ob ich ihn nach einer Runde wilden Sex gefragt hätte. Mein Begleiter wundert sich ebenfalls über mein Verhalten und ich versuche durchsichtig zu werden, unauffällig einzusteigen und mich hinzusetzen.
Ein paar andere, vor allem junge Leute sind auch im Bus. Ich belausche sie, und bekomme so einiges mit.
Campen im Gatsch
Gegenüber sitzen drei Jungs, der eine kann seine Augen kaum offen halten. Sie tauschen sich in deutscher Sprache im Dialekt aus. Es geht um das gestrige Unwetter, der eine musste jetzt erstmal in die Stadt fahren, um sich neue Schuhe zu kaufen, die alten haben sich gestern aufgelöst. „Es hot gschitt, gschitt und gschitt!“ schreit er aufgebracht. Die Schuhe der anderen sehen auch wirklich sehr mitgenommen aus. Der Bub neben ihm versucht den Kopf gerade zu halten. Sein starrer Blick verrät mir doch ein „wenig“ Restalkohol und hin und wieder versucht er sich ins Gespräch einzubringen. Es klappt nicht wirklich, die Zunge ist noch zu schwer.
Davor sitzt ein junger Bursch allein, mit einer Palette Bier zwischen den Beinen. Hinter dem Schuhkäufer und dem müden, restalkoholisierten Freund sitzen zwei Mädels. Deutsche junge Damen. Sie reichen sich eine Flasche Prosecco hin und her. Ich grins. Ja, so solls sein! Wir sind ja auch auf einer tagelangen Party. Cheers, die Damen! Ich denk mir das aber nur, bin ja noch immer durchsichtig.
Mir wird klar, dass ich hier Camper beobachte. Und bekomme, während der Bus bereits seit einiger Zeit fährt, mit, dass das Gelände erst ab sechzehn Uhr öffnet. Egal, denk ich mir, mein Begleiter hat das sowieso nicht mitbekommen, er starrt emotionslos aus dem Fenster. Jetzt fahren wir mal hin und schauen uns das an. Haben ja sonst eh nix zu tun.
Wo müssma raus?
Das Gelände ist derart weitläufig, dass es doch tatächlich mindestens zwei Haltestellen unseres Busses gibt. Die meisten steigen bei der ersten aus. Ok. Wir schließen uns an und taumeln staunend weitläufige, mit Gitterzäunen abgegrenzte, Wege entlang. Nach einiger Zeit kommen wir an einen Campingplatz.

Zelt an Zelt, dicht an dicht. Alles im Gatsch. Meine Güte, die Armen! Ich kann gar net wegschauen. Die Stimmung hinter dem Gitter ist aber gut. Die Leute sind entspannt, nehmen diese Situation zu Kenntnis. Kennen sie von anderen Events. Immer wieder sehr ich junge Menschen mit Gummistiefeln. Ja, sie wissen Bescheid.
Ich bekomm mein Bandal!
Gegenüber steht ein kleines Hütterl. Darin sitzen zwei junge Männchen, die uns die Tickets in Armbänder umtauschen. Ich frag, ob denn ein Ausweis gewünscht ist und beginne bereits in meinem Rucksack zu graben. Aber nein, den brauchens nicht, alles gut. Mein Begleiter schaut mich wieder entgeistert an. Und nachdem wir unsere Bändchen montiert und uns vom Hütterl entfernt haben, meint er nur, ich sei so unangenehm und „laut“. Nagut, dann freu ich mich leise über mein Bandal und mach für mein Selfie einen „stillen Schrei“ und denke dabei an Edvard Munch.

Nur mit diesen Bändern, kommen wir aufs Festivalgelände. Hier allerdings gar nicht. Wir müssen eine Station weiter fahren. Also zurück zur Haltestelle und auf den nächsten Bus warten. Das kann schon mal ein bisschen dauern. Das Wetter ist uns wohlgesonnen, der Himmel ist blau und die Sonne scheint endlich wieder einmal. Der Bus kommt, wir steigen ein und fahren eine Station weiter.
Wir sind fast alleine!
Dort steigen wir aus und sind doch ziemlich alleine. Hier ist noch gar nix los. Die Eingänge sind noch versperrt und nirgends ist eine Menschenseele zu sehen. Die deutschen Mädels mit dem Prosecco tauchen wieder auf und fragen uns nach dem Weg. Ich informiere sie, dass ich im Bus die Info aufgeschnappt habe, dass erst ab sechzehn Uhr die Party beginnt. Sie sind nicht sonderlich überrascht, setzen sich in die Wiese und trinken entspannt weiter. Ich erhasche einen Blick aufs Areal und es sieht, oh mein Gott!!, sehr vielversprechend aus.

Wir werden wohl nochmal zurückfahren, es ist erst halb eins.
Und nochmal zurück
Der leere Bus nach Salzburg kommt recht bald und wir steigen ein, fahren zurück zum Hauptbahnhof und marschieren zurück zum Hotel. Gegenüber des Hotels befindet sich ein Hofer und wir kaufen uns zum Mittagessen noch ein paar Stangerl von der ofenfrischen Bäckerei. Die essen wir am Hotelzimmer machen uns a bissl frisch, soll heißen, wir gehen wieder pinkeln (getrennt) und machen uns recht bald wieder auf den Weg zum Shuttle.
Den Weg dorthin kennen wir ja schon. Er kommt mir diesmal kürzer vor. Am Hauptbahnhof steht nicht nur ein Shuttlebus, sondern drei. Wir nehmen den nächstbesten und beim Einsteigen höre ich den Chauffeur, als zwei halbnackte, junge Damen einsteigen, sagen „Des übalebts es net!“
Er meint wohl die Kombination der Kleiderwahl und des Wetters. Und ich bin ein bisschen entspannter gegenüber meines Outfits. Es ist noch immer die Jean mit dem T-Shirt, dem Pullover und der Jacke… Meine Güte, hätte ich heiße Sachen zu Hause, und ich vermisse schmerzhaft die sexy Tops in meiner Reisetasche. Aber er hat ja Recht. Es ist kühl, es wird wohl zur späten Stunde noch kühler und ein Regenguss kann wohl auch nicht ausgeschlossen werden.
Wir ergattern gerade noch einen Sitzplatz im Bus. Die nachfolgenden Festivalbesucher müssen stehen. Tja, das ist mir nicht neu. Zu Stoßzeiten in Wien, ist was los in den Öffis. Wir fahren los. Die Stimmung im Bus ist großartig. Die meist jungen Leute singen laut und immer wieder hört man das Öffnen einer Bierdose. Es ist ein Geschupse und Gedränge, ein Lachen und und ein Singen. Es herrscht Stimmung pur. Ich grins. Ja, so stell ich mir gute Laune und spitzen Stimmung vor.
….Contenance, bitte!
Mein Begleiter sitzt stoisch vor sich hin starrend neben mir. Er hasst Menschenansammlungen, ich kanns net ändern. Ich weiß dass er gerade um seine Seelenruhe kämpft. Er hat mir dieses Erlebnis geschenkt, er wusste was hier auf ihn zukommt. Ich habe vor es zu genießen. Wir sind wohl die einzigen im Bus, die die Fahrt wortlos hinter sich bringen. Rundherum ein Riesenspaß und ich wünschte, ich würde mitmachen können.
Wir steigen bei der zweiten Station aus. Man lernt ja dazu! Und marschieren zum Eingangsbereich. Dort werden wir a bissl gefilzt, mein Rucksack untersucht, die Mineralwasserflasche, die ich mithabe weggenommen und uns viel Spaß gewünscht. Mein Armband löst ein grünes Licht bei einem anschließenden Drehkreuz aus und ich bin im nächsten Moment auf dem Gelände meiner Träume.
(Fortsetzung folgt)
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