Oder

Und wir mittendrin!

Am 7.12.2023 öffnete am Universitätsring 10, im ersten Bezirk, „ZIIZUU – Contemporary Kitchen & Bar“ seine Pforten. Mit Joachim Natschläger, einem der Protagonisten der Wiener Nachtgastronomie, konnte hierfür ein erfahrener Gastronom gewonnen werden.

Eine neue Dinner Experience der Extraklasse, inspiriert von den Metropolen der Welt, mit einem State-of-the-Art Interiordesign, asiatischer Fusionsküche und dem Motto „Essen, Feiern und trotzdem früh zuhause sein“ soll eine neue Ära im Wiener Nachtleben einläuten und vor allem Gäste ab 30 Jahren ansprechen.

Tja, meine Lieben, was soll ich sagen? Dort müssen wir natürlich hin und uns die teilweise fast unaussprechlichen Ankündigungen und Aussagen genau anschauen!

Doris ist wie ich neugierig und wieder mit dabei. Wir treffen uns kurz vor neunzehn Uhr am Schottentor. Einem meiner abendlichen Lieblings-Ausgangspunkte, da von hier sehr vieles zu Fuß zu erreichen ist und ich mit den Öffis herrlich einfach herkomme.

Auch jetzt ist es, nachdem wir uns erfreut begrüßt haben, nur ein Fußmarsch von vielleicht zwei Minuten.

Erwartungsvoll öffnen wir eine große, schwere Glastüre und werden von einem dunkelhaarigen, zirka zwanzigjährigen Mädel freundlich begrüßt, sie kontrolliert unsere (also, Doris´ Reservierung) und bittet uns gleich darauf lächelnd weiter. Zwei weitere junge, hübsche Damen kümmern sich um unsere Garderobe und die tropfenden Knirpse (es ist wieder mal sehr grauslich draußen…)

Äußerst freundlich bittet uns ein (wieder so ein junger Mensch!) hübscher Mann weiter zu unserem Tisch und während wir ihm folgen, tauchen wir ein, in eine 750 Quadratmeter große faszinierende Welt voller Pflanzen, Blumen und bunter Lichter. Ein sanfter, leiser Deep House ist zu hören. („The Blame“-Helsloot Remix von Bob Moses, Helsloot – streamen!!)

Doris hat bereits ihr Handy fotografierbereit in den Händen, ich wühle noch hektisch in meiner, wie mir gerade auffällt, viel zu großen Tasche, um endlich mit meinem Handy Bilder für die Ewigkeit zu machen, naja für später halt.

Ich staune, bin überrascht, beeindruckt. Es ist schön warm hier, hin und wieder kann man leises, fast unscheinbares, Vogelgezwitscher hören. Man befindet sich sofort in einer anderen, fremden Welt. Einem Dschungel, einer Bar im Dschungel, … im Paradies?

Manche Tische sind bereits besetzt. Unserer steht am Rande des Dinner-Clubs und somit haben wir eine fast unbegrenzte Aussicht auf alles und jeden rund um uns.

Jan kümmert sich um uns

„Hallo, ich bin Jan und ich darf mich heute um die Damen kümmern.“ Begrüßt uns , kurz nachdem wir Platz genommen haben, ein recht adrettes Kerlchen euphorisch, Gott sei Dank etwas älter….naja, um die dreißig… Wir grinsen den Buben an und er drückt uns jeder eine Getränke- und Speisekarte in die Hände.

Wir bitten Jan uns zwei Aperol Sour zu bringen, erfreut tippt er unsere Bestellung in ein kleines Kästchen und eilt in Richtung Bar.

Kurz darauf stehen unsere Getränke auf dem Tisch vor uns und… nun….sie sind herrlich!!

OMG! Nie wieder etwas anderes!

„Ich will nie wieder etwas anderes trinken!“ Schreit meine Zunge. Mein Hirn meint….probieren geht über hysterisch werden, bleib cool!! Nun, der Drink ist … ja, er ist göttlich!

Ich brauche all meine Contenance um das Glas nicht sofort zu leeren und stelle es brav, ladylike, wieder nach einem Schluck ab.

Wir zwei unterhalten uns natürlich wieder wunderbar. Über eventuelle, potenzielle Lebensabschnittspartner, Spielgefährten, und diejenigen, die es wohl nicht in diese Liga schaffen würden.

Rund um uns wird es voller. Neben uns nehmen zwei junge Damen, eine blond, die andere dunkelhaarig und ein junger Mann Platz. Während Wein für alle drei, welcher auch immer, bei Jan bestellt wird, berichtet das Männchen eindrucksvoll mit wilden Gesten, wie wichtig es in seinem Job ist und wie mühsam es für es ist, täglich mit unwichtigen Zeitgenossen auszukommen.

Die blonde nickt hin und wieder verständnisvoll, die dunkle ist in einer anderen Welt und hofft offensichtlich auf ein baldiges Ende dieses Abends.

Und während Blondie und die Dunkelhaarige zusammen auf der Toilette sind, der wichtige, junge Mann wild an seinem Handy herum wischt und wohl damit die Welt rettet (-wieder-); bestellen wir jede bei Jan einen Salat mit Garnelen.

Kurz darauf bekommen wir einen „Gruß aus der Küche“ (also ein „Amuse-Gueule“), ein kleines Schüsserl mit kalter Gurkensuppe, serviert.

Wir sind ein bisschen ratlos wie wir sie zu uns nehmen können, denn Löffeln liegen keine bei unserem Gedeck, und es wurden auch keine dazu serviert. Kurzerhand beginnen wir aus diesen kleinen Schüsseln zu nippen und bekommen weder böse Blicke, oder eine Aufforderung das Lokal auf der Stelle zu verlassen. Also, wars wohl richtig! Die Suppe schmeckt köstlich und wir genießen diese kleine Aufmerksamkeit. Danke schön!

Bemüht!

Jan ist lieb, brav und schnell. Er wirkt aber trotz allem Enthusiasmus neu in der Branche. Er stellt die Getränke für den Nebentisch erstmal auf unserem ab um dann in Ruhe servieren zu können. Da mein Sohn ebenfalls bereits in diesem Job tätig war und ich dadurch weiß, wie hart und anspruchsvoll das Service ist, schaue ich ihm milde und mütterlich zu und hoffe, dass ihm nichts runterfällt.

Unsere wunderschönen Salate kommen auch bald und sie sind (natürlich) genauso ein Gaumenschmaus wie wohl alles andere hier.

Damenhaft schieben wir uns das mundgerechte Blattgrün langsam und sorgfältig in die Münder. Die Garnelen sind geschält und es kommt somit zu keiner dreckigen Kletzelei mit abendfüllendem Fischgeruch an den Fingern. Zwischen den Salatblättern findet man immer wieder pürierte Avocadopatzerl und Mangostückchen. Eine wunderbare Komposition, die auch dem Auge schmeichelt und als Unterlage, oder für den kleinen Hunger reicht.

Die asiatische Fusionsküche lässt vom Nebentisch grüßen. Die Sushis sehen wie kleine Kunstwerke aus, doch die gelangweilten Damen stopfen sie fast lieblos in sich hinein, während der junge Mann gegenüber noch immer von seiner Genialität und der Unfähigkeit aller anderen erzählt und laut sein Leid klagt.

Gegenüber von uns steht ein größerer Tisch, an dem gerade zwei junge Damen Platz nehmen. Kurz wird mir ein bisschen warm….was soll das? Sind nur die jungen Leute unterwegs und haben nur sie das Geld abends auszugehen. Mein weiter ins Lokal schweifender Blick belehrt mich allerdings eines Besseren. Das Publikum ist gemischt und Doris und ich befinden uns alterstechnisch mittendrin. Gerade hier in unserer Ecke ballt sich die gut situierte Jugend, wie es scheint.

Fotosession … und so!

Die zwei Mädchen gegenüber fotografieren sich in nahezu jeder möglichen Pose. Während wir interessiert dem Treiben rund um uns folgen, bestellen wir bei Jan noch eine „Moscow Mule“ für Doris und für mich einen „Like Ice in the Sunshine“.

Während wir noch auf unsere Getränke warten, das Dschungelflair um uns genießen und das Rundherum bestaunen, setzt sich ein weiteres Mäderl zu den zweien gegenüber. Und kurz darauf ein viertes mit Anhang.

Daddy, oh Daddy! (Oder: „Wer ist dein Daddy?“)

Dieser offensichtliche Anhang, wird in der heutigen Umgangssprache als „Sugar Daddy“ bezeichnet. Er wird vom Servicepersonal und dem Barbesitzer (der immer wieder mit strengem Blick durch die Gänge schlendert und kontrolliert, ob alles in Ordnung ist und alle Gäste gut versorgt sind) herzlich willkommen geheißen. Man kennt ihn. Er hat Geld. Er ist gerne gesehen.

Ein doch etwas in die Jahre gekommener, offensichtlich finanzstarker Mittsechziger, der umgeben von sehr jungen, schönen (nun, Schönheit liegt ja bekanntlich im Auge des Betrachters) Mädchen den Abend und ich befürchte auch die kommende Nacht genießen wird.

OMG! Nie wieder etwas anderes!

Unsere Cocktails kommen und wie die vorherigen sind beiden anbetungswürdig!

Doris` Moscow Mule

like ice in the sunshine (OMG!!!)

Wieder schreit meine Zunge, „Das ist er! Der beste Cocktail der Welt! Nur mehr der! Für immer!“ – „Krieg dich ein!“ entgegnet mein Hirn genervt und wieder kann ich diesen Hochgenuss nach dem ersten, großen Schluck tapfer zurück stellen und mit Doris weiter die Leute um uns herum beobachten und ausrichten.

Ungläubig starren wir beide auf die Hand des Alten, die unter dem Tisch auf den Oberschenkel des Mädchens rechts neben ihm greift. Der Champagnerkühler steht neben ihm und die jungen Damen lassen sich laut quietschend von ihm einschenken.

Doris meint zu mir: „Also, ich hätte keine Freude, wenn das meine Tochter wäre und die mit so einem unterwegs wäre….“ Nachdenklich nicke ich nur und bin froh, dass ich einen Sohn habe – wie schon so oft.

Doch wie gebannt beobachten wir diesen extrem solariumgebräunten (die grauen Strähnen sind streng zurück gegelt) schlanken, mittelgroßen, älteren Männerkörper im grauen Maßanzug, die beringte Hand bereits zwischen den Schenkeln des Mädchens. Angewidert flüstere ich Doris zu, dass die junge Dame dem Alter nach seine Enkelin sein könnte und eine Welle der Übelkeit überschwemmt mich kurz.

Abendstimmung

Fast unauffällig werden dunkle Vorhänge vor die großen Fenster zur Straße zugezogen. Im selben Moment beginnt ein DJ uns mit wohlklingenden lauteren, basslastigeren Tönen zu versorgen. („Drive“ von Angara) Der DJ, ein unscheinbarer dünner, junger Mann wippt mit dem Rhythmus hin und her.

Hier wird natürlich wieder nicht daneben gegriffen, man bewegt sich akustisch auch hier außerhalb des Kommerz. Wir hören weiterhin Klänge im Bereich des Deep House, untermalt wird dies live von einem Saxophonspieler, der dem Ganzen seine ganz persönliche Note aufdrückt.

„Mir san die Hautevolee, mir haum den Überschmäh, mir san a Wahnsinn, mir san in…“ (Schickeria/Fendrich)

Es ist nicht zu bestreiten, wir befinden uns hier mitten unter den Reichen und Schönen. Der Hautevolee, wie man so schön sagt. Die Outfits der Gäste sind bemerkenswert. Auch wir sind natürlich dementsprechend gekleidet, übertrieben haben wir es allerdings nicht, alleine schon wegen des nasskalten Winterwetters. Trotzdem fühlen wir uns in unseren tiefdekolletierten, schwarzen Oberteilen wohl und können auf jeden Fall mit dem Gros mithalten.

Doch es glänzen und funkeln Pailletten und Glitter soweit das Auge reicht. Die teilweise leichten und hauchdünnen, natürlich gerade nur über den Hintern reichenden, Seidenkleidchen der weiblichen Gäste, lassen uns erstaunt in Kombination mit dem Wetter da draußen aufschauen.

Doris meint, dass sich die Damen wohl in der Garderobe zwischen den Jacken und Mänteln erstmal stundenlang umziehen würden. Ein lautes Lachen kommt über meine Lippen und das veranlasst uns zu weiterem Gekicher. Wir haben hier unseren Spaß. Schlürfen die besten Cocktails (der Welt?), zumindest seit langem und bekommen auch optisch wirklich was geboten.

Was ist das?

Und dann…

… kommen sie.

Drei, wiederum, junge, schlanke Damen. Zwei stecken in hautengen, knallroten Bodys mit Kapuze. Die Haare der Damen sind kaum zu sehen. Ihre Gesichter stark geschminkt. Sie tragen schräg montierte große, schillernde ebenfalls rote Herzen an den Köpfen. Die dritte ist schwarz gekleidet, der Body ist gleich geschnitten ohne Kapuze, sie trägt eine Kappe, ähnlich einer der Polizei.

Allen dreien hängt, weil die Bodys als Strings geschnitten sind, der Hintern aus. Ich muss hier aber sofort klarstellen, dass diese Popscherl ein absoluter Hingucker sind. Alle drei! Die Mädchen tragen über den Pos und unter den Bodys schwarze Netzstrumpfhosen und ihre Füße stecken in hohen schwarzen Schuhen.

Sie bewegen sie lasziv, mit den Hüften schwingend, durch die Gäste. Werfen Kusshändchen, drehen dann den Gästen die Rückseite zu und lassen sanft die benetzten Backerl wackeln. Sie lächeln freundlich, winken und wirken irgendwie… benebelt.

Beim Näherkommen bemerken Doris und ich, dass zumindest zwei (Entschuldigung, aber dass muss ich halt auch erzählen!) wohl nach ihrer gesegneten Form ihrer Hinterteile und leider nicht nach ihren Gesichtern engagiert wurden. Das Gesicht der Schwarz-Gekleideten ist hübscher, beim Näherkommen wirkt es allerdings unecht und wurde wohl bereits in diesen jugendlichen Jahren optimiert.

Immer wieder tauchen die drei hüftschwingend auf und schlendern an den Tischen vorbei. „Was bitte soll das?“ höre ich die erboste Frage von einem anderen Tisch und bin froh, dass nicht nur ich mir diese Frage stelle.

Eine der drei verschwindet dann kurz und taucht in silbrigem Hellblau wieder pobackenfrei auf. Sie trägt jetzt einen Mond auf dem Kopf und zieht einen Umhang (ein großes Fetzerl) hinter sich her, den sie sich hin und wieder unter ihre jetzt weißbenetzten Pobacken hält, die sie dann wiederum anzüglich wackeln lässt. Der Mond mit Knackarsch, oder, nicht so derb, die dunkle Seite des Mondes?

Wir beginnen diese immer wiederkehrenden Gesäßdemonstrationen langsam zu ignorieren und auch die anderen Gäste widmen sich wieder ihren Gesprächen, den wunderbaren Getränken und ihren herrlichen Kreationen aus der Küche.

Zwei weitere Cocktails (Ziizuuliscious) werden von uns bestellt. „Zwei Sisulischas, bitte!“ ich spreche sie richtig aus und Jan nickt mir anerkennend zu, tippt sie in sein Kasterl und zischt weg.

Tanz!

„Dance the Night – Remix 273“ von Bernard Vereecke, der Dj und der Saxophonspieler versuchen Stimmung zu machen. Bunte Lichter wechseln sich ab und beleuchten eine riesige Discokugel, darunter stehen allerdings noch Tische und die sind besetzt. Ob die zu späterer Stunde entfernt werden und alles was Rang und Namen hat hier das Tanzbein schwingen würden?

Unsere Zeit ist bald um. Unser Timeslot, also unser Zeitfenster schließt sich langsam. Um 22 Uhr müssen wir unseren Tisch räumen. Das ist für uns nichts Neues mehr. Viele Lokale in Wien bieten bei früherem Erscheinen nur ein zeitbegrenztes Erlebnis.

Auch bei anderen Tischen ist dies ersichtlich. Schnell werden Tische von Gästen geräumt, die gerade noch friedlich und gut gelaunt an ihren Getränken genippt haben. Es wird bezahlt und sich flott entfernt. Das Servicepersonal bringt den Platz so rasch wie möglich für die nächsten (zahlenden) Gäste wieder auf Hochglanz und so schnell kann man gar nicht schauen, sitzen die nächsten Besucher da und staunen über das Ambiente, die kulinarischen Köstlichkeiten und die wackelnden, benetzen, halbnackten Ärsche.

OMG! Nie wieder etwas anderes!

Jan stellt zwei kleine Fläschchen vor uns ab. Im Hintergrund „A True Connection“ von Anyma. (streamen…!)

Wir saugen daran und schauen uns mit weit aufgerissenen Augen an. „Das ist er! Nie wieder will ich was anderes, NIE MEHR!“- „Jaja…..is klar.“ Mein Hirn verdreht die Augen.

„Oh mein Gott!“ stöhnt auch Doris und ich spüre im selben Augenblick die griechische Sonne auf mir. Dieses Getränk schmeckt genauso wie unser geliebter „Pornstar-Martini“, den wir ja doch einige Male in unserem, gemeinsamen Urlaub getrunken haben.

Gierig saugen wir an unseren Strohhalmen, sie sind übrigens aus Papier (nicht aus Pasta, wie im Lande des Zeus) und versuchen auch bei diesem Getränk nicht allzu ekstatisch und hemmungslos zu wirken.

Bald sind die Flascherl allerdings leer und wir bitten Jan um die Rechnung. Wir teilen sie schwesterlich. und stellen uns zu „Ah Up“ von Sound Quelle (streamen….jetzt aber wirklich!) bei der Garderobe für unsere Schals, Jacken und Schirme an.

Gut eingepackt machen wir uns auf den zweiminütigen Fußmarsch zurück, Doris zur U-Bahn und ich zur Straßenbahn.

Wir küssen uns zum Abschied auf die Wange. „Das schauen wir uns fix nochmal an, allerdings zu späterer Stunde. Und dann wird getanzt!“ sagt sie und grinst. Ok, ich bin dabei!

Somit geht ein wunderschöner, eindrucksvoller, berauschender, schmackhafter und lustiger Abend im Reigen der Upperclass zu Ende.

Noch ein Mal? Ja fix, aber später. Ich werde berichten.

Gute Nacht.


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